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Der geizige Dichter

Von

Du fragst, warum Semir ein reicher Geizhals ist?
Semir, der Dichter? er, den Welt und Nachwelt liest?
Weil, nach des Schicksals ew′gem Schluß,
Ein jeder Dichter darben muß.

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Gedicht: Der geizige Dichter von Gotthold Ephraim Lessing

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der geizige Dichter“ von Gotthold Ephraim Lessing ist eine pointierte Satire, die sich in einer kurzen, prägnanten Form mit dem Widerspruch zwischen dem Beruf des Dichters und dessen finanziellem Erfolg auseinandersetzt. Das Gedicht beginnt mit einer direkten Frage, die den Leser sofort in das Thema einführt und die Neugier weckt. Diese Frage, „Du fragst, warum Semir ein reicher Geizhals ist?“, wird umgehend durch die Erwähnung von Semirs Beruf und seiner Bekanntheit – „Semir, der Dichter? er, den Welt und Nachwelt liest?“ – noch verstärkt. Die Ironie des Gedichts wird bereits hier angedeutet: Ein Dichter, dessen Werke von der Welt gelesen werden, also von einem Publikum geschätzt und konsumiert werden, soll gleichzeitig ein Geizhals sein.

Die Auflösung des Rätsels erfolgt in den letzten beiden Versen, die als eine Art Fazit der Geschichte fungieren. Lessing erklärt die scheinbare Diskrepanz zwischen dem dichterischen Talent und dem Reichtum mit der lapidaren Feststellung „Weil, nach des Schicksals ew′gem Schluß, / Ein jeder Dichter darben muß.“ Dies ist der Kern der Satire. Lessing greift hier ein verbreitetes Klischee auf: dass Dichter, trotz ihres Talents und ihrer Anerkennung, oft ein Leben in Armut führen. Die „ew′gem Schluß“ suggeriert eine unabänderliche Gesetzmäßigkeit, eine Ironie, die durch die vermeintliche Unausweichlichkeit des Schicksals verstärkt wird.

Die sprachliche Gestaltung des Gedichts ist schlicht und klar, was seine satirische Wirkung unterstreicht. Es verzichtet auf komplizierte Bilder und Metaphern, um sich auf die Aussage zu konzentrieren. Die Reime (ist/liest; Schluß/muß) unterstützen die Kürze und Prägnanz des Gedichts und machen es leicht merkbar. Die Verwendung von „Semir“ als Name eines Dichters, der in der Antike und auch in der Zeit des Autors durchaus vorkam, ist eine bewusste Anspielung auf einen allgemein bekannten Namen, was die Aussage des Gedichts noch verstärkt. Durch die Wahl dieses Namens wird der Eindruck erweckt, dass die Aussage des Gedichts universell und zeitlos ist.

Insgesamt ist „Der geizige Dichter“ ein humorvolles und scharfzüngiges Gedicht, das die Kluft zwischen künstlerischer Leistung und wirtschaftlichem Erfolg am Beispiel des Dichters kritisiert. Es ist eine Kritik an den sozialen Bedingungen, unter denen Dichter oft leben mussten. Die Kürze und Einfachheit des Gedichts verstärken seine Wirkung und machen es zu einem einprägsamen Kommentar zur finanziellen Situation von Künstlern und zur Wertschätzung von Kunst in der Gesellschaft.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.