Der frühe Tag
Tag mit deinen kalten Blicken,
Wie so frühe bist du da!
Meinen Traum hast du vertrieben,
Ach den lieben
Traum, darin ich Liebchen sah.
Grämlich bleich wie eine Greisin
Blickt in mein Gemach die Welt.
Weib, du wirst mit öden Händen
Nimmer spenden,
Was der Traum mir lieb gesellt.
Schließe, Tag, dein kaltes Auge,
Schleich ein Weilchen noch zurück!
Träume, laßt mein Lieb, mein Leben
Mich umschweben!
Hab ich doch kein ander Glück.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Der frühe Tag“ von Bruno Wille drückt die Sehnsucht nach dem Verbleiben in einer Traumwelt aus, in der Liebe und Glück erfahrbar sind, und die Unzufriedenheit mit dem Erwachen in die Realität. Das lyrische Ich hadert mit dem Erscheinen des Tages, der als Eindringling wahrgenommen wird, der die Idylle des Traumes zerstört und die ersehnte Geliebte in die Ferne rückt.
Die ersten beiden Strophen etablieren einen Kontrast zwischen der kalten, unwirtlichen Realität und der warmen, lieblichen Traumwelt. Der „frühe Tag“ wird mit „kalten Blicken“ assoziiert, was Kälte und Distanz symbolisiert, während der Traum als Ort der Begegnung mit dem „Liebchen“ dargestellt wird. Die Metapher der „Greisin“ für die Welt verstärkt das Gefühl der Eintönigkeit und Trostlosigkeit, das die Realität für das lyrische Ich bereithält. Die „öden Händen“ des „Weibes“ (vermutlich die Welt) stehen im Gegensatz zu den erfüllenden Bildern des Traumes.
In der dritten Strophe wird der Wunsch nach Rückzug in die Traumwelt noch deutlicher artikuliert. Das lyrische Ich fleht den Tag an, sich zurückzuziehen und die Träume zu bewahren, in denen die geliebte Person gegenwärtig ist. Die wiederholte Betonung von „mein Lieb, mein Leben“ unterstreicht die tiefe emotionale Verbindung und das Glück, das in der Traumwelt gefunden wird. Hier zeigt sich die Verzweiflung über den Verlust dieses Glücks und die Sehnsucht nach einer Welt, die von Liebe und Geborgenheit geprägt ist.
Das Gedicht spiegelt die Romantik wider, die in der Flucht vor der Realität, der Hinwendung zu Träumen und der Idealisierung der Liebe ihren Ausdruck findet. Die Einfachheit der Sprache und die klare Struktur verstärken die emotionale Wirkung des Gedichts. Es ist ein Ausdruck der Sehnsucht nach dem Unwirklichen, nach einer Welt, in der die Erfüllung des Herzens möglich ist, im Gegensatz zur harten Realität, die die Wünsche des lyrischen Ichs zu zerstören droht.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.