Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.

Der Becher

Von

Auf dem Becher aus klarem Golde
Bilde einen kleinen Knaben,
Wie er eine volle Traube,
Mit den Händchen drückend, aussaugt,
Schwelgend in dem süßen Moste.
Und daneben steh ein Jüngling,
Der ein Mädchen hält und küsset.
Neben einem vollen Schlauche
Sitz ein Alter dann am Boden:
Abgewendet füll er eifrig
Sich zu neuem Trunk den Becher!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Der Becher von August Kopisch

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Becher“ von August Kopisch präsentiert in wenigen, prägnanten Versen eine Abfolge von Lebensphasen, dargestellt durch die Figuren eines Knaben, eines Jünglings und eines Alten, die durch die gemeinsame Verbindung zum Genuss vereint sind. Die goldene Becherform dient dabei als Rahmen, innerhalb dessen die verschiedenen Stadien der menschlichen Erfahrung von kindlicher Unschuld über jugendliche Liebe bis hin zur reifen Hingabe an Genuss und möglicherweise auch dem Rückzug vom Leben, wenn man den Becher als Metapher für das Leben selbst betrachtet, entfaltet werden.

Die Darstellung des Knaben, der die Traube aussaugt, verkörpert die unschuldige Freude und den uneingeschränkten Genuss des Lebensanfangs. Der Knabe schwelgt in dem süßen Most, was auf eine reine, unmittelbare Erfahrung hindeutet. Der Jüngling mit dem Mädchen, das er küsst, symbolisiert die Leidenschaft und die romantische Erfüllung der Jugend, die von der sinnlichen Erfahrung und der Liebe geprägt ist. Beide Szenen zeigen eine körperliche, fast ungezügelte Hingabe an den Moment.

Der alte Mann, der am Boden sitzt und den Becher neu befüllt, bildet einen Kontrast zu den vorherigen Figuren. Seine Handlung des erneuten Trinkens, wenn auch im abgewandten Zustand, deutet auf eine fortgesetzte, aber möglicherweise abgeklärtere Beziehung zum Genuss hin. Er mag sich von den direkten Leidenschaften der Jugend entfernt haben, sucht aber dennoch Trost und Befriedigung im wiederholten Akt des Trinkens. Die Abwendung könnte sowohl Ausdruck einer gewissen Distanzierung von der Welt als auch ein Zeichen des Rückzugs ins Selbst sein.

Das Gedicht lässt Interpretationsspielraum offen: Es könnte als Ode an den Genuss in seinen verschiedenen Facetten verstanden werden, oder als eine Betrachtung des Kreislaufs des Lebens, in dem jede Phase ihre eigene Form der Erfüllung findet. Die Anordnung der Figuren in einer zeitlichen Abfolge, von der Unschuld zur Leidenschaft und schließlich zur Reife, verleiht dem Gedicht eine tiefe Symbolik. Die Verwendung eines goldenen Bechers als Rahmen verstärkt das Bild der Kostbarkeit und Vergänglichkeit der menschlichen Erfahrung.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.