Das Meer erglänzte weit hinaus
Das Meer erglänzte weit hinaus
Im letzten Abendscheine;
Wir saßen am einsamen Fischerhaus,
Wir saßen stumm und alleine.
Der Nebel stieg, das Wasser schwoll,
Die Möwe flog hin und wider;
Aus deinen Augen, liebevoll,
Fielen die Tränen nieder.
Ich sah sie fallen auf deine Hand,
Und bin aufs Knie gesunken;
Ich hab von deiner weißen Hand
Die Tränen fortgetrunken.
Seit jener Stunde verzehrt sich mein Leib,
Die Seele stirbt vor Sehnen; –
Micht hat das unglücksel′ge: Weib
Vergiftet mit ihren Tränen.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Das Meer erglänzte weit hinaus“ von Heinrich Heine ist eine melancholische Liebesklage, die von einer schicksalhaften Begegnung am Meer erzählt. Die Strophen zeichnen ein Bild von Einsamkeit und Sehnsucht, das durch die ergreifende Geste des Tränenwegtrinkens kulminiert und in einem verzweifelten Resümee endet. Die Wahl des Ortes, eines einsamen Fischerhauses am Meer, verstärkt die Atmosphäre der Isolation und des Unausweichlichen.
Die erste Strophe etabliert die Szene: Ein ruhiger Abend am Meer, der durch das „letzte Abendscheine“ eine gewisse Vergänglichkeit andeutet. Die Stille und Einsamkeit, betont durch das „stumm und alleine“ der beiden Liebenden, legen den Grundstein für die kommende Tragödie. Die zweite Strophe beschreibt das Aufkommen von Nebel und die Tränen der Frau. Diese Tränen sind nicht nur Ausdruck von Trauer, sondern werden zum zentralen Motiv des Gedichts, das die Verbindung von Leid und Liebe symbolisiert. Die Möwe als flüchtiges Wesen verstärkt die Flüchtigkeit der Gefühle.
In der dritten Strophe erreicht die emotionale Intensität ihren Höhepunkt. Der Sprecher kniet vor der Frau nieder und trinkt ihre Tränen von ihrer Hand. Diese intime Geste, die von Demut und Hingabe zeugt, verkehrt die Tränen in einen Akt der Vereinigung, der gleichzeitig eine Vergiftung impliziert. Die Tränen werden zum Gift, das den Sprecher verzehrt.
Die letzte Strophe offenbart das bittere Fazit: Der Sprecher leidet seit dieser Begegnung an körperlichem und seelischem Verfall. Die „unglücksel’ge Weib“ wird für sein Leid verantwortlich gemacht, wobei die Tränen als Ursache des Übels genannt werden. Hier zeigt sich die Tragik der unerwiderten oder destruktiven Liebe, die den Sprecher nicht nur körperlich zerstört, sondern auch seine Seele dem Untergang preisgibt. Das Gedicht verwebt somit gekonnt die Elemente der Natur, der Liebe, des Leids und des Todes zu einem eindringlichen Bild der menschlichen Existenz.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.