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Das Krähen

Von

Ein Grobschmied hatt ein Töchterlein,
Das konnte nicht schöner und feiner sein.
Da kam der Hans den einen Tag,
Ein Bursche, wies viele geben mag:
Der warb um die Tochter: sie war ihm gut;
Doch hatte der Vater nicht gleichen Mut
Und sagte: Er hat nicht Gut und Geld
Und will doch freien in dieser Welt? –
Da sprach der Bursch: Geld, Gut ist Dunst;
Viel besser ist eine gute Kunst! –
Was kann er für eine? ich will doch sehn! –
Da sprach der Bursche: ich kann gut krähn! –
Da lachten Mutter und Töchterlein,
Der alte Schmied auch hinterdrein,
Und sprach: So zeig er wie ers kann;
Da fing der Bursch zu krähn an:
Kikeriküh! und kikeriküh!
Recht wie der Hahn und sonder Müh.
Der Alte sprach: Ein Spaß ist das;
Doch sag er an, was hilft so was? –
Gar viel, begann der junge Mann:
Nur sag er, bin ich sein Eidam dann,
Wenn ich dahier auf seinen Sand
Ein Schloß hinschaff und Gartenland
Und wird das andre rings bestellt
Zu einem schönen Weizenfeld? –
Ja, sagte der Schmied, schaffst du den Sand,
Den ich nicht mag, zum Gartenland
Und baust ein schönes Schloß darauf,
So nimm das andre dazu in Kauf! –
Topp! Eltern! und topp! Töchterlein!
Das Schloß, das Feld, die Braut sind mein! –
– Da sahen sich die Leute an;
Doch es begann der junge Mann
Nun allerlei Brimborium –
Und sah sich unterweilen um.
Nun wußte niemand wies geschah,
Auf einmal stand ein Teufel da!
Und dem verschrieb sich Hans mit Blut.
– Hm! denkt der Schmied, das wird nicht gut!
– Im Pakt versprach der Teufel: den Zaun,
Das Feld, den Garten, das Schloß zu baun,
Darin den reichsten schönsten Schatz
Und rings umher einen lustgen Platz:
Das alles am selben Abend spat,
Noch vor der ersten Hahnenkrat;
Doch, würd er nicht fertig und fehlt ein Stein,
Sollt Hansens Seele gerettet sein!
Er sollte da wohnen wies ihm gefiel,
Und machen seiner Tage viel. –
– Nun ging die Teufelsarbeit los:
Die Angst der Mutter, der Braut war groß.
Der Grobschmied sprach: welch dummer Streich!
Der Teufel schafft das freilich gleich! –
Ganz lustig ist allein der Hans
Und freut sich an der Geister Tanz:
Die schleppen herzu, ohn Rast und Ruh:
Es wächst da alles in einem Nu!
Flink klappert der Zaun zusammen sich,
Gras, Kraut und Baum sprießt wunderlich,
Und Vögel singen und Schwäne ziehn
Auf den rings umirrenden Wassern hin.
Nun steigt der Palast, das schönste Haus
Auf dem schönsten Platz vom Boden heraus:
Der Keller, die Küche, die Treppe jetzt,
Der zweite Stock wird aufgesetzt,
Der dritte nun, nun kommt das Dach.
Hausrat und Schatz füllt jedes Gemach.
Das Dach wächst höher . . . o Angst, o Pein!
Es fehlt bald nur der letzte Stein!
O Hans, o Hans, nun holt er den,
Und noch will hier kein Hahn nicht krähn!
Da lacht der Hans und ohne Müh
Kräht er beherzt sein: kikeriküh! –
Da sah der Teufel ihn höhnisch an:
Das gilt hier nicht; du bist kein Hahn! –
– So hör doch Teufel! – Kikeriküh!
Ertönts im ganzen Dorfe hie,
Ja selbst auf dem Turm der Wetterhahn
Fängt lustig mit zu krähen an.
Da wirft der Teufel hin den Stein,
Und ruft: verdammte Künstelein!
Aus ist der Pakt, das Schloß ist dein!
Nun macht euch lustig und zieht hinein! –
Da fährt der Teufel zum untersten Grund
Und prügelt vor Wut den Höllenhund. –
Der Grobschmied gibt dem jungen Mann
Sein Töchterchen – weil er krähen kann.
Zwar fehlt am Palaste der letzte Stein,
Und setzt man noch so oft ihn ein,
Er fällt herunter und fällt sich klein;
Doch machts den Leuten keine Pein –
Und auf der Hochzeit sangen sie
Dem Teufel zur Schur nur: kikerikih!
Im ganzen Haus hin: kikerikih!
Im Keller: kikrih! in der Küche: kikrih!
Auf den Treppen und Fluren nur: kikerikih!
In allen Gemächern: kikikerikih!
Beim Essen und Trinken nur: kikerikih!
Drei Tage und Nächte: kikikerikih!
Auf Tischen und Bänken: kikikerikih!
Dem Teufel zur Schur nur: kikikerikih!

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Gedicht: Das Krähen von August Kopisch

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Das Krähen“ von August Kopisch ist eine humorvolle Ballade, die die Geschichte eines jungen Mannes erzählt, der durch das Krähen eines Hahnes das Herz einer jungen Frau gewinnt und den Teufel austrickst. Die Ballade ist reich an volkstümlichen Elementen, Humor und einer deutlichen moralischen Botschaft, die in der scheinbaren Einfachheit der Geschichte versteckt ist.

Die Handlung beginnt mit der Werbung des jungen Hans um die Tochter eines Grobschmieds. Der Vater, zunächst skeptisch, stellt Hans auf die Probe und verlangt den Beweis seiner Fähigkeit, Reichtum und Ansehen zu erlangen. Hans, der vorgibt, eine besondere Kunst zu besitzen – das Krähen eines Hahns – löst bei den Anwesenden zunächst Heiterkeit aus. Doch durch einen Pakt mit dem Teufel, der ihm verspricht, ein Schloss zu bauen, ein Gartenland zu schaffen und Schätze zu häufen, wird die Geschichte zu einer dramatischen Wendung gebracht. Der Teufel ist bereit, all dies zu vollbringen, unter der Bedingung, dass das Werk vor dem ersten Hahnenschrei vollendet ist.

Die eigentliche Pointe des Gedichts liegt in der List des jungen Mannes und der Reaktion des Teufels. Als die Arbeit fast vollendet ist und der letzte Stein zu fehlen droht, kräht Hans beherzt. Doch der Teufel erkennt den Trick und verliert sein Versprechen, da er feststellt, dass Hans kein echter Hahn ist. In diesem Moment greift die Symbolik des Hahns, der traditionell das Böse vertreibt, und das Krähen, das den Tagesanbruch markiert, was den Teufel in die Flucht schlägt. Die gesamte Gemeinschaft des Dorfes unterstützt Hans, indem sie ebenfalls krähen und den Teufel verspotten.

Das Gedicht endet mit einem Triumph des jungen Mannes, der durch seine Kreativität und seinen Mut die Tochter des Schmieds gewinnt. Der letzte Stein im Schloss fehlt zwar, doch dies wird von den Bewohnern des Dorfes nicht als Makel empfunden. Stattdessen wird das Fehlen durch das gemeinsame „Kikerikih!“ gefeiert, was eine spielerische und humorvolle Geste darstellt. Die Ballade ist somit eine Ermutigung zur Selbstverwirklichung und ein Loblied auf die List, mit der man sich gegen das Böse behaupten kann.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.