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Das grosse Kind

Von

Da fliegt er hin, der stolze Knabe,
Rasch trägt sein Rößlein ihn vom Ort;
Dem ich mich ganz ergeben habe,
Mein süßer Schatz, schon ist er fort!
Die Stunde schlug, von meinem Herzen
Riß er sich zögernd, riß sich los,
Und lächelnd bald und bald mit Schmerzen
Sprach er: „Ade, ′s ist Mannesloos!“

O Mannesloos, o Traum der Ehre,
Von Männern allzuhoch geschätzt!
Ich wollt′, daß er ein Kindlein wäre,
Und mein Geliebter doch wie jetzt;
Auf meinem Schoß wollt′ ich ihn wiegen
Mit süßem Tändeln, warm und lind,
In meinen Armen sollt′ er liegen,
Mein großes, mein verliebtes Kind.

Ei ja, das wären süße Sorgen,
Das wäre liebe Mutterlust!
Wohl jeden Abend, jeden Morgen
Hielt′ ich ihn fest an meiner Brust;
Mit meinem Kuß wollt′ ich ihn tränken,
Nach dem er sonst so durstig war,
Und wollte ihm zum Spielwerk schenken
Mein aufgelöstes schwarzes Haar.

Ich würd′ ein Märchen ihm erzählen
Von dem verirrten Königssohn,
Der, sich der Hirtin zu vermählen,
Das Reich vergessen und den Thron;
Mir in die Augen würd′ er sehen
Mit hellen Blicken stolz und groß,
Und würde lächelnd mich verstehen,
Und risse dennoch sich nicht los!

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Gedicht: Das grosse Kind von Robert Eduard Prutz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Das große Kind“ von Robert Eduard Prutz ist eine romantische Reflexion über die Sehnsucht nach einer idealisierten Beziehung, die durch die ambivalente Haltung der Autorin geprägt ist. Die Sprecherin, vermutlich eine Frau, schaut ihrem Geliebten nach, der sich in die Welt der Männer aufmacht, und drückt ihren Wunsch aus, die Zeit zurückzudrehen und ihn wieder in ihre Obhut zu nehmen.

Die erste Strophe beschreibt den Abschied und die damit verbundene Melancholie. Der „stolze Knabe“ ist fort, und die Sprecherin wird von Schmerz und Sehnsucht überwältigt. Der Ausruf „′s ist Mannesloos!“ zeigt einerseits die Bewunderung für die männliche Welt und die damit verbundenen Ideale, andererseits aber auch die Wehmut über den Verlust der gemeinsamen Zeit. Die folgenden Strophen entfalten die Fantasie der Sprecherin, ihren Geliebten als Kind zu behandeln. Sie sehnt sich danach, ihn zu wiegen, zu liebkosen und mit ihm zu spielen. Dies wird durch die Metaphern „süße Sorgen“, „liebe Mutterlust“ und das wiederholte „mein“ unterstrichen, was die tiefe Zuneigung und den Wunsch nach Geborgenheit widerspiegelt.

Die dritte Strophe vertieft diese Vorstellung und beschreibt detailliert, wie sie ihn mit Küssen überschütten und ihm ihr Haar als Spielzeug schenken würde. Sie würde ihm Märchen erzählen und ihn in ihrer Geborgenheit halten. Bemerkenswert ist die letzte Strophe, in der die Sprecherin sich vorstellt, wie ihr Geliebter ihr aufmerksam zuhört, lächelt und sie versteht, aber sich dennoch nicht von ihr löst. Dies deutet auf eine Sehnsucht nach einer tiefen, innigen Verbindung, die über das rein Körperliche hinausgeht und von gegenseitigem Verständnis geprägt ist.

Das Gedicht reflektiert somit die Spannung zwischen der Bewunderung für die männliche Welt und dem Wunsch nach einer kindlichen Geborgenheit. Es ist ein Ausdruck der romantischen Sehnsucht nach einer idealisierten Liebe, in der Zärtlichkeit, Verständnis und die Unfähigkeit, sich voneinander zu trennen, im Mittelpunkt stehen. Das Gedicht ist ein sanfter Ausdruck der Sehnsucht nach der Vergangenheit, nach dem Gefühl der Geborgenheit und der Hoffnung auf eine unvergängliche Bindung.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.