Das Fischermädchen
Steht auf sand′gem Dünenrücken
Eine Fischerhütt′ am Strand;
Abendrot und Netze schmücken
Wunderlich die Giebelwand.
Drinnen spinnt und schnurrt das Rädchen,
Blaß der Mond ins Fenster scheint,
Still am Herd das Fischermädchen
Denkt des letzten Sturms und – weint.
Und es klagen ihre Tränen:
»Weit der Himmel, tief die See,
Doch noch weiter geht mein Sehnen,
Und noch tiefer ist mein Weh.«
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Das Fischermädchen“ von Theodor Fontane zeichnet ein einfühlsames Bild der Melancholie und des Verlustes, eingebettet in die malerische Szenerie einer Fischerhütte an der Küste. Der Leser wird in die Szene hineingezogen, zunächst durch die Beschreibung der äußeren Umgebung, die durch das Abendrot und die Netze, welche die Giebelwand schmücken, eine romantische Atmosphäre erzeugt. Dieser idyllische äußere Rahmen steht jedoch im Kontrast zu der inneren Gefühlswelt des Mädchens, die durch die folgende Strophe enthüllt wird.
Die zweite Strophe verlagert den Fokus von der äußeren Umgebung auf das Innere der Hütte und die Gefühle des Mädchens. Das „Rädchen“ symbolisiert die kontinuierliche Arbeit und das stille, häusliche Leben, während der Mond, der ins Fenster scheint, eine fast geisterhafte, beobachtende Präsenz darstellt. Das Fischermädchen sitzt am Herd, dem Zentrum des familiären Lebens, und denkt an den letzten Sturm, was auf einen Verlust, wahrscheinlich den eines geliebten Menschen durch die See, hindeutet. Die Worte „und – weint“ verdeutlichen die tiefe Trauer, die das Mädchen verzehrt.
Die dritte Strophe vertieft die emotionale Tiefe des Gedichts. Die Tränen des Mädchens werden zur Quelle einer Klage, die die Grenzen des menschlichen Leids und der Sehnsucht auslotet. Die Weite des Himmels und die Tiefe der See dienen als Metaphern für die unermessliche Sehnsucht des Mädchens und das noch tiefere Gefühl des Schmerzes. Die Verwendung von Steigerungen („Doch noch weiter geht mein Sehnen, / Und noch tiefer ist mein Weh“) verstärkt die Intensität der Emotionen und lässt den Leser die Verzweiflung und den Kummer des Mädchens unmittelbar spüren.
Fontane gelingt es, durch einfache, klare Sprache und eindrucksvolle Bilder ein berührendes Porträt der Trauer zu zeichnen. Das Gedicht ist mehr als nur eine Beschreibung; es ist eine Auseinandersetzung mit Verlust, Sehnsucht und den unermesslichen Weiten menschlichen Leids. Die Naturbilder, wie der Himmel und die See, werden zu Spiegeln der inneren Verfassung des Mädchens, und die stille Umgebung verstärkt die Wirkung der tiefliegenden Emotionen. Das Gedicht ist ein eindrucksvolles Beispiel für Fontanes Fähigkeit, menschliche Gefühle in prägnanten und poetischen Worten einzufangen.
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Lizenz und Verwendung
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