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Das Feuerschiff

Von

Auf glatter, grauer Woge ruht das feuerrote Feuerschiff,
Es rührt sich nicht; der Anker hält es fest im Meeressande;
Fahrwasser weist sein Feuerschein durch Sandbank und durch Felsenriff
Den Fischern in der Nebelnacht und leitet sie zum Strande.

Matrosen grau und lendenlahm, Erleber mancher wilden Fahrt,
Die halten hier das Feuer wach bei Nacht in Wind und Wetter;
Dem wurde grau in Tropenglut das Blondhaar und der rote Bart,
Den trugen bis nach Grönland hin die stahlbeschlagenen Bretter.

Der wusch im Fieber gelbes Gold aus Kaliforniens rotem Sand,
Der hat auf jedem Fleck der Welt das Handelsschiff gelandet,
Der küßte eines Häuptlings Weib an einem weißen Palmenstrand;
Sie alle sind nach Schluß der Fahrt auf diesem Schiff gestrandet.

Von Ehrgeiz, Habsucht, Liebe, Haß, von Hoffnung und von Furcht ist leer
Die Brust, das Wrack liegt morsch und mürb verfaulend in dem Hafen;
Und was sie fünfzig Jahre hetzte, spornte, peitschte hin und her
Ist stumm, verloschen, ausgebrannt und endlich eingeschlafen.

Und ist das Herz auch kalt und tot; sie starren gierig in die Flut
Schon stundenlang; kein Fischlein will an ihren Angeln beißen;
Manch halbvergeßner Fluch erschallt voll Ungeduld und wilder Wut,
Das Meer ist geizig und es läßt sich heute nichts entreißen.

Und ist auch lange abgeräumt des Lebens reichgedeckter Tisch,
Und kalt das Herz, dem Freuden, Schmerzen, Angst und Hoffnung mangeln,
So bleibt als heiß ersehntes Ziel ein spannenlanger Fisch,
Nach dem sie stieren Auges täglich angeln, angeln, angeln.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Das Feuerschiff von Hermann Löns

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Das Feuerschiff“ von Hermann Löns entwirft ein melancholisches Bild des Lebens und der Vergänglichkeit, eingebettet in die Szenerie eines Feuerschiffs im rauen Meer. Die ersten Strophen beschreiben die äußere Erscheinung des Feuerschiffs und die Aufgabe, Seeleute sicher durch gefährliche Gewässer zu lotsen. Das rote Feuerschiff, fest verankert, dient als Leuchtfeuer in der Nacht und bietet Orientierung, während es gleichzeitig ein Zuhause für die Matrosen darstellt, die ein hartes Leben auf See geführt haben. Diese ersten Verse etablieren den Kontrast zwischen dem ruhigen, beständigen Leuchtfeuer und dem stürmischen, unberechenbaren Meer, welches stellvertretend für die Herausforderungen des Lebens steht.

Im weiteren Verlauf des Gedichts werden die Matrosen, die das Feuerschiff bemannen, detaillierter charakterisiert. Ihre „grauen“ Haare und ihre „lendenlahmen“ Glieder deuten auf ein Leben voller Strapazen und Abenteuer hin. Löns lässt die Leser an der wechselvollen Vergangenheit dieser Männer teilhaben, die in verschiedenen Teilen der Welt unterwegs waren, von den Tropen bis nach Grönland. Sie haben Reichtum gesucht, Frauen geküsst und Abenteuer erlebt, kurzum, sie haben das volle Spektrum menschlicher Erfahrungen durchlebt. Diese Aufzählung ihrer Erlebnisse, von Goldsuche bis hin zu Liebesbeziehungen, zeigt die Vielfalt und den Reichtum des Lebens, aber auch dessen Endlichkeit.

Die zentrale Aussage des Gedichts liegt in der vierten Strophe, in der die Sinnlosigkeit und Leere des Lebens zum Ausdruck kommt. Die Matrosen sind nun „leer“ von Ehrgeiz, Habsucht, Liebe und Hass. Ihre „Brust“ ist leer, ein „Wrack“ geworden, das langsam verfault. Die Leidenschaften, die sie einst angetrieben haben, sind „stumm, verloschen, ausgebrannt“. Dieses Bild der inneren Leere steht im krassen Gegensatz zu den wilden Abenteuern, die sie zuvor erlebt haben. Der Übergang von einem aktiven, erlebnisreichen Leben zu einem Zustand der emotionalen Leere und des körperlichen Verfalls verdeutlicht die Vergänglichkeit des irdischen Daseins und die Leere, die am Ende des Lebens oft zurückbleibt.

Die letzten beiden Strophen malen ein düsteres Bild der Gegenwart. Die Matrosen, deren „Herz auch kalt und tot“ ist, verbringen ihre Zeit mit angeln, ohne Erfolg. Sie sind gefangen in einer Monotonie, in der selbst der Fang eines „spannenlangen Fischs“ zum einzigen Ziel geworden ist. Die Metapher des Angelns steht hier für die Sinnlosigkeit und das Wiederholen von Handlungen, die keine Erfüllung mehr bringen. Das Meer, einst ihr Zuhause und Abenteuer, erscheint nun geizig und verweigert ihnen selbst den kleinsten Erfolg. Das Gedicht endet mit einem resignierten Blick auf die Leere des Lebens, in dem selbst die Sehnsucht nach einem kleinen Erfolg zur Obsession geworden ist.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.