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Das Bächlein Celigny am Genfersee

Von

Es rauscht ein Bächlein durch grüne Kluft,
Ich höre sein Rauschen so gerne;
Durch wehende Wipfel strahlt blaue Luft,
Da weidet der Blick in der Ferne!
O Bächlein so lieb an des Hügels Hang,
Dir möcht′ ich lauschen mein Lebenlang!

Wie lieblich sinket und steigt und schwillt
In Wies′ und Wald das Gestade!
Dort hebt das Gebirge sich duftumhüllt,
Hier locken mich schattige Pfade;
O süße Thäler, o Hügel so schön,
Hier mögen sich Herz und Seel′ ergeh′n!

Wie lacht aus der Tiefe der blaue See,
Von schneeigen Alpen umraget!
Dort strahlt von Gold die ätherische Höh′,
Wenn′s tief im Thal noch nicht taget;
Des Frühscheins Schauer mich tief durchbebt,
Der Geist und Sinne so frisch belebt!

Hinab den Pfad in die grüne Nacht,
Wo dunkle Schatten nur wanken,
Der Sonnenstrahl nur durch das Dickicht lacht,
Dort wandeln die stillen Gedanken;
Und Fall auf Fall stürzt der Bach dahin,
Es folgt ihm gerne der trunkene Sinn!

O weh! wie schweigt′s in der öden Kluft,
Wie schweigt′s durch die grünenden Hügel!
Die Vöglein flieh′n in die weite Luft,
Entfaltend dem Aether die Flügel!
O süßes Bächlein so grün umlaubt,
Wer hat uns dein liebliches Leben geraubt?

Der Neumond sucht und der Abendstern
Die sanfte thauige Welle;
Sie sah′n in der rauschenden Fluth sich gern,
Und gern in der perlenden Quelle;
Nun blicken sie still und trüb hinab
In des kiesigen Bettes ödes Grab!

Und alles trauert und alles schweigt,
Und Finsterniß lauscht in den Klüften;
Der Platanus welkende Zweige neigt
Aus sonnendurchglüheten Lüften:
O Bächlein so lieb, o Bächlein so traut
Komm wieder mit fröhlichem Silberlaut!

Er kömmt! schon rollt um des Berges Fuß
Die heiter rieselnde Welle!
Es hüpfet und rauschet mit vollem Guß,
Und in der Tiefe wird′s helle!
Die Fischlein schlüpfen aus Stein und Moos,
Und scherzen dahin in des Freundes Schooß!

Und wir, wir singen mit frohem Schall:
»O Bächlein sey uns willkommen!
Du fehltest uns all′ und überall,
Wer hatte dich Bächlein genommen?
O Bächlein so hell und so lieb und so traut,
Nie fehl′ uns dein fröhlicher Silberlaut!«

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Das Bächlein Celigny am Genfersee von Friederike Sophie Christiane Brun

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Das Bächlein Celigny am Genfersee“ von Friederike Sophie Christiane Brun beschreibt eine tiefe Naturverbundenheit, die sich in der Beobachtung und dem Wechselspiel von Freude, Trauer und Wiedergeburt manifestiert. Das Gedicht beginnt mit der Beschreibung einer idyllischen Landschaft, in der das plätschernde Bächlein als zentrales Element die Szenerie prägt. Die poetische Sprache und die liebevollen Details, wie die „grüne Kluft“ und die „wehenden Wipfel“, laden den Leser ein, die Szenerie durch die Augen der Autorin zu betrachten und die Ruhe und Schönheit der Natur zu empfinden.

Der mittlere Teil des Gedichts kippt in eine melancholische Stimmung. Ein jähes Schweigen und eine allgemeine Trauer machen sich breit. Das Bächlein, das zuvor so lebendig war, scheint zu verschwinden. Die Vögel fliehen, die Landschaft verdunkelt sich, und die Sterne blicken traurig hinab. Diese Veränderung deutet auf eine vorübergehende Krise oder den Tod des Baches hin, der hier metaphorisch als Verlust oder Abschied verstanden werden kann. Der Kontrast zwischen dem anfänglichen Idyll und der darauffolgenden Trauer verstärkt die emotionale Wirkung des Gedichts.

Die Wiederkehr des Baches am Ende des Gedichts markiert die Wiedergeburt und die Hoffnung. Das fröhliche Rauschen kehrt zurück, die Landschaft erhellt sich, und die Lebewesen kehren zurück. Die Freude über die Rückkehr des Bächleins wird in den letzten Zeilen durch den Gesang der Menschen ausgedrückt, die das Bächlein willkommen heißen und sich nach seiner Rückkehr sehnen. Dieses Finale symbolisiert das ewige Kreislauf der Natur, in dem Verlust und Wiedergeburt untrennbar miteinander verbunden sind.

Das Gedicht kann als eine Metapher für das menschliche Leben und die damit verbundenen Höhen und Tiefen gelesen werden. Die Schönheit der Natur spiegelt die Momente des Glücks und der Freude wider, während die Trauer die schwierigen Zeiten und Verluste repräsentiert. Die Wiederkehr des Bächleins am Ende bietet eine Botschaft der Hoffnung und des Glaubens an die Erneuerung und die Kraft, die aus dem Kreislauf des Lebens erwachsen. Es ist ein Appell, die Schönheit der Natur zu schätzen und aus ihren Veränderungen Lehren für das eigene Leben zu ziehen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.