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Das Alter

Von

Hoch mit den Wolken geht der Vögel Reise,
Die Erde schläfert, kaum noch Astern prangen,
Verstummt die Lieder, die so fröhlich klangen,
Und trüber Winter deckt die weiten Kreise.

Die Wanduhr pickt, im Zimmer singet leise
Waldvöglein noch, so du im Herbst gefangen.
Ein Bilderbuch scheint alles, was vergangen,
Du blätterst drin, geschützt vor Sturm und Eise.

So mild ist oft das Alter mir erschienen:
Wart nur, bald taut es von den Dächern wieder
Und über Nacht hat sich die Luft gewendet.

Ans Fenster klopft ein Bot′ mit frohen Mienen,
Du trittst erstaunt heraus – und kehrst nicht wieder,
Denn endlich kommt der Lenz, der nimmer endet.

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Gedicht: Das Alter von Joseph von Eichendorff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Das Alter“ von Joseph von Eichendorff malt ein vielschichtiges Bild des Alters und seiner Erfahrungen, wobei es geschickt Naturmetaphern nutzt, um die Vergänglichkeit und den Wandel des Lebens darzustellen. Die ersten vier Verse beschreiben eine herbstliche Szenerie: Vögel ziehen fort, die Erde ruht, die Lieder verstummen und der Winter naht. Diese Bilder erzeugen eine Atmosphäre der Ruhe und des Rückzugs, die typisch für das fortgeschrittene Alter ist, in dem die Lebendigkeit der Jugend verblasst und die Welt in einen Zustand der Kontemplation übergeht. Das „trüber Winter“ repräsentiert hier nicht nur die Jahreszeit, sondern auch die kühle, ruhige Phase des Lebensendes.

Der zweite Teil des Sonetts wechselt in den Innenraum, wo die Zeit mit einer „Wanduhr“ langsam verrinnt und die Erinnerungen an vergangene Zeiten in einem „Bilderbuch“ bewahrt werden. Das „Waldvöglein“ im Zimmer, ein Überbleibsel des Sommers, deutet auf die Sehnsucht nach der Vergangenheit und die Bewahrung von Erinnerungen hin. Der Vergleich mit einem „Bilderbuch“ verdeutlicht die Distanz des Erzählers zu den Erlebnissen, die nun betrachtet und nicht mehr aktiv gelebt werden. Die Zeile „geschützt vor Sturm und Eise“ spiegelt eine gewisse Geborgenheit und Distanz wider, die das Alter mit sich bringt, aber auch die Isolation von der rauen Realität.

Im letzten Quartett findet eine unerwartete Wendung statt. Das Alter erscheint „mild“, was eine Akzeptanz und vielleicht sogar eine Wertschätzung der jetzigen Lebensphase impliziert. Die Hoffnung auf Erneuerung und Veränderung wird durch die Metapher des Tauens von den Dächern und der sich „über Nacht“ wendenden Luft ausgedrückt. Der „Bot′ mit frohen Mienen“ und der „Lenz, der nimmer endet“ sind zentrale Bilder, die eine Überwindung des Alters und eine Verheißung auf ein ewiges Leben andeuten.

Die Interpretation deutet an, dass das Gedicht über das Alter nicht nur eine Reflexion über die Vergänglichkeit des Lebens ist, sondern auch eine Auseinandersetzung mit der Hoffnung und dem Glauben an eine Wiedergeburt. Die Verwendung von Naturmetaphern und die geschickte Verwendung von Bildsprache schaffen ein tiefgründiges und bewegendes Bild des Alterungsprozesses, das sowohl die ruhigen Aspekte als auch die Sehnsucht nach Neubeginn und Ewigkeit berücksichtigt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.