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Clarisse

Von

Meinen schönsten Liebesantrag
suchst du ängstlich zu verneinen;
frag ich dann: ob das ein Korb sei?
fängst du plötzlich an zu weinen.

Selten bet ich, drum erhör mich,
lieber Gott! Hilf dieser Dirne,
trockne ihre süßen Tränen
und erleuchte ihr Gehirne.

Überall wo du auch wandelst,
schaust du mich zu allen Stunden,
und je mehr du mich misshandelst,
treuer bleib ich dir verbunden.

Denn mich fesselt holde Bosheit,
wie mich Güte stets vertrieben,
willst du sicher meiner los sein,
mußt du dich in mich verlieben.

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Gedicht: Clarisse von Heinrich Heine

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Clarisse“ von Heinrich Heine offenbart eine komplexe Dynamik der Liebe und Ablehnung, gepaart mit subtiler Ironie. Das Gedicht, das aus vier Strophen zu je vier Versen besteht, wird aus der Perspektive eines Liebenden geschrieben, der sich in einer unglücklichen, aber gleichzeitig faszinierenden Beziehung befindet. Die ersten beiden Strophen etablieren das Szenario: Der Liebende wird abgewiesen, während die Geliebte, Clarisse, auf unerklärliche Weise reagiert, indem sie weint, wenn sie nach der Ablehnung gefragt wird.

Heine verwendet in der zweiten Strophe einen direkten Appell an Gott, um Clarisse zu helfen. Diese Zeilen sind von einer doppelten Ebene geprägt: Einerseits drückt der Liebende den Wunsch aus, dass Clarisse ihre Tränen trocknet und Klarheit erlangt, andererseits deutet die Bitte nach „Erleuchtung ihres Gehirns“ eine gewisse Ironie und Distanzierung an. Es ist ein Appell, der gleichzeitig von Zuneigung und einer leichten Verzweiflung getragen wird. Die Ironie wird noch dadurch verstärkt, dass der Sprecher „selten betet“, wodurch der Appell an eine höhere Macht umso bemerkenswerter wird.

Die dritte Strophe zeigt die Paradoxie der Beziehung auf: Clarisse scheint den Liebenden immer im Blick zu haben, ihn aber gleichzeitig zu misshandeln. Je mehr sie ihn zurückweist, desto fester ist er an sie gebunden. Diese Zeilen zeigen eine gewisse masochistische Tendenz und unterstreichen das ambivalente Verhältnis zwischen Liebe und Schmerz. Die paradoxe Natur der Liebe wird hier durch die gegensätzlichen Gefühle von Verbundenheit und Ablehnung deutlich.

Die letzte Strophe, der Höhepunkt des Gedichts, enthält die Auflösung des Rätsels. Um den Liebenden zu befreien, muss Clarisse sich in ihn verlieben. Dieses paradoxe Ende deutet auf eine tiefe Ironie hin und entlarvt die Absurdität der Beziehung. Heines Meisterleistung liegt darin, die Leser durch eine komplexe psychologische Dynamik zu führen, in der Ablehnung, Zuneigung, Ironie und Humor auf faszinierende Weise miteinander verwoben werden. Das Gedicht ist eine tiefgründige Auseinandersetzung mit den komplizierten und oft widersprüchlichen Aspekten der menschlichen Liebe.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.