Christiane
Es stand ein Sternlein am Himmel,
Ein Sternlein guter Art;
Das tät so lieblich scheinen,
So lieblich und so zart!
Ich wußte seine Stelle
Am Himmel, wo es stand;
Trat abends vor die Schwelle,
Und suchte, bis ich’s fand;
Und blieb denn lange stehen,
Hatt’ große Freud’ in mir:
Das Sternlein anzusehen;
Und dankte Gott dafür.
Das Sternlein ist verschwunden;
Ich suche hin und her
Wo ich es sonst gefunden,
Und find es nun nicht mehr.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Christiane“ von Matthias Claudius ist ein einfaches, aber tiefgründiges Werk, das von der Vergänglichkeit und der Suche nach dem Verlorenen handelt. Es beginnt mit der Beschreibung eines kleinen, lieblichen Sterns am Himmel, der eine Aura von Zartheit und Schönheit ausstrahlt. Der Sprecher kennt die Position des Sterns und sucht ihn jeden Abend, um ihn zu betrachten und sich an seiner Anwesenheit zu erfreuen. Diese Freude und Dankbarkeit, die im dritten Vers der zweiten Strophe zum Ausdruck kommt, unterstreicht die besondere Bedeutung des Sterns für den Erzähler.
Der zweite Teil des Gedichts markiert einen entscheidenden Wandel. Das Sternlein ist verschwunden, und die Suche des Sprechers nach ihm wird vergeblich. Die wiederholte Suche „hin und her“ und die Feststellung „und find es nun nicht mehr“ verdeutlichen die Trauer und das Gefühl des Verlustes. Der plötzliche Wegfall des Sterns, dessen Quelle der Freude war, erzeugt eine Leere und eine Sehnsucht nach dem Verlorenen.
Die Symbolik des Sterns ist vielschichtig. Er kann als Metapher für eine geliebte Person, eine verlorene Liebe, einen Freund oder auch für eine unschuldige, schöne Erfahrung stehen, die im Leben des Erzählers einmal präsent war, aber nun für immer vergangen ist. Die Zartheit und Lieblichkeit des Sterns deuten auf etwas Kostbares und Wertvolles hin, dessen Verlust eine tiefe emotionale Wirkung hat. Die Einfachheit der Sprache und die schlichte Struktur des Gedichts verstärken die Intensität der Gefühle und machen es für den Leser leicht, sich in die Trauer des Erzählers hineinzuversetzen.
Letztlich ist „Christiane“ ein melancholisches Gedicht über die Vergänglichkeit und die Unvermeidlichkeit des Verlustes. Es erinnert uns daran, die Momente der Freude und Schönheit wertzuschätzen, da sie flüchtig sind und eines Tages verschwinden können. Gleichzeitig zeigt das Gedicht die bleibende Wirkung dieser verlorenen Erfahrungen, die als Erinnerung in unserem Herzen weiterleben und unsere Sehnsucht nach dem, was einmal war, nähren. Die Einfachheit des Gedichts ist seine Stärke, da sie die universelle Erfahrung von Verlust und Trauer auf eine berührende und eindringliche Weise widerspiegelt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.