Chor der Nymphen
Seit Jahrtausenden
Weilen wir hier
An diesem Teiche.
Immer das gleiche
Schauen wir.
Verlockende Worte
Von Lust und Freuden
Führten die Menschen
Zu allen Zeiten
Zu diesem Orte.
Die römischen Frauen
Wo sind sie geblieben?
Wir sehn sie nicht mehr.
Hier kamen sie her,
Um in den lauen
Fluten zu lieben.
Auch unsre Genossen
Dem Himmel entsprossen,
Die Oreaden
In Busch und Bäumen
Sie pflegten zu baden
Hier und zu träumen.
Die zottigen Faune,
Mit denen wir liebten,
Im Jagen uns übten
In wilder Laune.
Sie alle schwebten,
Die einst hier lebten,
Zum Himmel wieder,
Aus diesen Triften
Empor zu den Lüften,
Zu ihrem Gebieter.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Chor der Nymphen“ von Frank Wedekind entführt uns in eine antike Welt, in der Nymphen, die Geister der Natur, über die Vergänglichkeit und die Zyklen des Lebens sinnieren. Der Teich dient als Schauplatz, an dem sich Geschichte wiederholt und wo das ewige Wesen der Natur dem flüchtigen Dasein der Menschen gegenübergestellt wird. Das Gedicht ist durch einen meditativen Tonfall gekennzeichnet, der von der Ruhe des Teiches widergespiegelt wird.
Die Nymphen blicken auf eine lange Vergangenheit zurück, in der Menschen – insbesondere Frauen – und andere Naturgeister wie Oreaden und Faune ihren Ort am Teich fanden. Die Zeile „Verlockende Worte / Von Lust und Freuden / Führten die Menschen / Zu allen Zeiten / Zu diesem Orte“ deutet auf eine menschliche Suche nach Vergnügen und Leidenschaft hin, die sie an diesen Ort trieb. Die Frage nach dem Verbleib der römischen Frauen, die einst hier liebten, unterstreicht die Vergänglichkeit der menschlichen Existenz und die Gewissheit, dass selbst die mächtigsten Zivilisationen vergehen.
Die Naturwesen, die einst mit den Nymphen liebten und spielten, sind ebenfalls verschwunden. Die Faune, Oreaden und andere Gefährten sind in den Himmel aufgestiegen. Dieser Wechsel unterstreicht die ewige Natur der Nymphen und des Teiches im Gegensatz zur vorübergehenden Natur all dessen, was lebt und stirbt. Durch das Bild des Aufstiegs zum „Gebieter“ wird eine göttliche Ordnung angedeutet, die über dem Kreislauf von Leben und Tod steht.
Wedekind verwendet einen einfachen, aber wirkungsvollen Sprachstil. Die wiederholten Verse, die klaren Bilder und der gleichmäßige Rhythmus erzeugen eine hypnotische Wirkung, die die meditative Stimmung des Gedichts verstärkt. Das Gedicht ist ein Reflexion über das ewige Wesen der Natur und die Vergänglichkeit des menschlichen Daseins. Es ist eine Erinnerung daran, dass der Teich und seine Bewohner Zeugen der Jahrtausende sind, während die menschlichen Geschichten in Vergessenheit geraten.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.