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Bonnaek, Chan der Polowzer
Schürt das Feuer, laßt den Becher kreisen!
Nichts befürchte David Igorewitsch!
Nichts befürchtet ihr Polowzer Helden,
Die ihr hier, im Wald gelagert, zittert!
Sei der Ungarn Heer wie Stern am Himmel,
Unsre Schar so klein wie Wespenschwärme,
Bald zerstäuben wir die Macht der Stolzen,
Bald erretten wir das Reich von Feinden!
Eben ritt ich weit hinaus ins Blachfeld
Durch die Mitternacht um gute Zeichen.
Als ich auf die Steppe kam, da brüllt ich
Wie der Wolf und – Vetter Wolf gab Antwort,
Da wie dort in allen Büschen heult er.
Heulen ließ ich den, und weiter brummt ich
Wie der Bär und – rings aus allen Höhlen
Kam der Bär und rieb am Baum und brummte.
Brummen ließ ich den, und jetzo bellt ich
Wie der Fuchs – da liefen tausend Füchse
Bellend hin und her, ich ließ sie bellen.
Dann wie Eulen und wie Geier schrie ich, –
Rings am Himmel schrien Eul und Geier,
Weit umher auf leichten Flügeln kreisend.
Schreien ließ ich sie und ging zum Sanstrom,
An den Schild mit diesem Schwerte schlug ich:
Aale stiegen da herauf ans Ufer,
Aus dem Wasser sprang jedweder Fisch da,
Mit dem Maule jappend wie vor Hunger. –
Gute Zeichen sind das! Wißt, die Tiere
Da im Strom, im Feld und hoch in Lüften
Wittern im voraus der Ungarn Leichen. –
Schürt das Feuer, laßt den Becher kreisen!«
Feuer wird geschürt, der Becher kreiset
Bei den Russen und Polowzer Helden,
Die vereint sich, Davids Reich zu retten.
Mut erhebt sie, wie die Wog′ ein Schifflein
Von dem Sand hebt und im Strom es fortführt.
Von Bonnaek geleitet ziehn hinaus sie.
Überfallen wird der Ungarn Heer nun
Und drei Tage hin und her gejaget:
Bis zehntausend auf dem Feld zerhaun sind,
Dreißigtausend in den Strom ertränket!
Wenge kehren heim zum Ungerlande.
Doch Bonnaek spricht: »David Igorewitsch,
Schau, das alles ward wie ich geweissagt:
Wolf und Bär und Fuchs und Eul und Geier
Und die Fisch im Wasser halten Festschmaus!
Aber du, Herr David Igorewitsch,
Nimm dein Reich und herrsche nun in Frieden!«
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Bonnaek, Chan der Polowzer“ von August Kopisch ist ein dramatisches Epos, das von Mut, Vorahnung und Sieg handelt. Es erzählt die Geschichte einer Schlacht, die durch die Prophezeiung des Anführers Bonnaek gewonnen wird. Die Handlung ist in zwei Hauptteile gegliedert, die sich um die Vorbereitung auf den Kampf und die anschließende Schlacht drehen.
Der erste Teil konzentriert sich auf die magische Vorbereitung des Kampfes. Bonnaek, der als Prophet und Anführer agiert, beschwört die Natur, um das bevorstehende Schicksal zu deuten. Er imitiert die Geräusche von Wölfen, Bären, Füchsen, Eulen und Geiern, wodurch diese Tiere als Omen für den Sieg der Russen und Polowzer erscheinen. Die Reaktion der Tiere auf Bonnaeks Rufe – von den heulenden Wölfen bis zu den aus dem Wasser springenden Fischen – deutet auf eine bevorstehende Katastrophe für die Ungarn hin. Diese Szene dient als zentraler Punkt der Vorhersage, da die Tiere die Leichen der Ungarn wittern, was den Ausgang des Kampfes vorwegnimmt.
Der zweite Teil des Gedichts beschreibt die Schlacht und ihren Ausgang. Die vereinten russischen und polowzischen Helden, angeführt von David Igorewitsch und Bonnaek, ziehen in den Kampf, gestärkt durch die Prophezeiung. Die Schlacht wird als ein überwältigender Sieg für die Verbündeten dargestellt. Zehntausende Ungarn werden getötet, weitere ertrinken im Fluss. Der Sieg wird als die Erfüllung der Vorhersage Bonnaeks gefeiert, dessen Weisheit und Verbindung zur Natur als entscheidend für den Ausgang des Kampfes gewürdigt wird. Die abschließenden Verse unterstreichen die Rolle von Bonnaek als Prophet, indem er die Erfüllung seiner Prophezeiung bestätigt und David Igorewitsch die Herrschaft in Frieden zuspricht.
Die Sprache des Gedichts ist kraftvoll und bildhaft, wobei Kopisch eine Vielzahl von Naturmetaphern einsetzt, um die Dramatik der Ereignisse zu verstärken. Die Reihung der Tierbeschwörungen erzeugt einen Rhythmus, der die magische Atmosphäre des Gedichts unterstreicht. Die Verwendung von Wiederholungen, wie „Schürt das Feuer, laßt den Becher kreisen!“ oder „Heulen ließ ich den…“ , verstärkt die epische Struktur des Gedichts und dient der Betonung der entscheidenden Momente. Das Gedicht ist ein Loblied auf den Mut, die Voraussicht und das Zusammenspiel von Mensch und Natur, um einen Sieg zu erringen.
Insgesamt ist „Bonnaek, Chan der Polowzer“ ein beeindruckendes Beispiel für romantische Poesie, das die Themen Krieg, Prophezeiung und Heldentum aufgreift. Es präsentiert eine Welt, in der der Mensch mit der Natur verbunden ist und in der das Schicksal durch übernatürliche Zeichen vorbestimmt wird. Die eindringlichen Bilder und der dramatische Aufbau machen das Gedicht zu einem unvergesslichen Zeugnis der romantischen Ästhetik.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.