Bologna
Zu dir wall′ ich, alte Stadt,
Um den alten Goldschmidt,
Den theuren Freund,
Näher und näher zu kennen.
Welch kühnes Wollen
Verkünden uns hier die Bilder Francia′s!
Edler Greis,
Der du so sehnsüchtig
Ein Werk des verwandten
Größern Rafaels erharrtest.
Wer darf die Kunst ausmessen
Und ihre Grenzen ziehn?
Wer kann die Ewigkeit beschränken? –
Nur wer die kleine Gegenwart
Als den Mittelpunkt alles Daseyns erkennt.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Bologna“ von Ludwig Tieck ist eine lyrische Hommage an die italienische Stadt Bologna und eine Reflexion über Kunst, Freundschaft und die Unendlichkeit des menschlichen Geistes. Der Autor, der sich auf den Weg in die Stadt macht, wird von der Sehnsucht nach einem „teuren Freund“, einem „alten Goldschmidt“ und der Auseinandersetzung mit Kunst, besonders den Werken von Raphael, getrieben.
Das Gedicht entfaltet sich in zwei Hauptteilen. Der erste Teil drückt die Aufbruchsstimmung und das Ziel der Reise aus. Die ersten vier Zeilen sind ein direkter Appell an Bologna, der von der Intention begleitet wird, den Freund besser kennenzulernen. Der zweite Teil konzentriert sich auf die Kunst und die Frage nach deren Grenzen, sowie die Erkenntnis, dass die wahre Größe im Verständnis des Ewigen und der Überschreitung der Grenzen der „kleinen Gegenwart“ liegt. Die Erwähnung der „Bilder Francia’s“ und das Warten auf ein Werk Raffaels weisen auf die Bedeutung der bildenden Kunst für Tieck hin und deuten auf die Wertschätzung der Renaissance-Künstler hin.
Die Sprache ist geprägt von einer feierlichen Erhabenheit und einem Hauch von Romantik, erkennbar an der Anrede „alte Stadt“ und der Beschreibung des „teuren Freundes“. Tiecks Gedicht greift die Frage nach den Grenzen der Kunst und des menschlichen Verständnisses auf. Die Frage, „Wer darf die Kunst ausmessen / Und ihre Grenzen ziehn?“ weist auf die Unendlichkeit des künstlerischen Schaffens und die Unmöglichkeit, es in vorgegebene Kategorien zu pressen, hin. Dies ist eine zentrale romantische Idee: Das Individuum in seiner Sehnsucht nach dem Unendlichen.
Das Gedicht endet mit einer philosophischen Pointe, die die „kleine Gegenwart“ als Zentrum allen Daseins kritisiert. Diese Erkenntnis legt den Fokus auf die Wichtigkeit, über den Moment hinauszublicken und die Zusammenhänge von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu verstehen. Tiecks Werk ist somit eine Hymne an die Kunst, die Freundschaft und die Suche nach transzendentaler Erkenntnis, die in der romantischen Tradition verankert ist und die Bedeutung des Geistes für die menschliche Erfahrung hervorhebt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.