In Frühlings Heiligtume,
Wenn dir ein Duft an′s Tiefste rührt,
Da suche nicht die Blume,
Der ihn ein Hauch entführt.
Der Duft läßt Ew′ges ahnen,
Von unbegrenztem Leben voll;
Die Blume kann nur mahnen,
Wie schnell sie welken soll.
In Frühlings Heiligtume,
Wenn dir ein Duft an′s Tiefste rührt,
Da suche nicht die Blume,
Der ihn ein Hauch entführt.
Der Duft läßt Ew′ges ahnen,
Von unbegrenztem Leben voll;
Die Blume kann nur mahnen,
Wie schnell sie welken soll.

Das Gedicht „Blume und Duft“ von Friedrich Hebbel behandelt das komplexe Verhältnis zwischen Vergänglichkeit und Unendlichkeit, zwischen physischer Erscheinung und transzendenter Erfahrung. Die ersten beiden Verse etablieren die Szenerie des Frühlings, einer Zeit des Aufbruchs und der Sinne. Der Duft, der „an′s Tiefste rührt“, wird als Ausgangspunkt für eine tiefe emotionale und spirituelle Erfahrung gesetzt. Hier wird bereits ein Gegensatz angedeutet: Die Quelle des Duftes, die Blume, ist nicht das, wonach der Dichter streben sollte.
Die zentrale Aussage des Gedichts entfaltet sich in den beiden folgenden Versen. Der Dichter wird aufgefordert, die Blume, die Quelle des Duftes, nicht zu suchen. Der Grund dafür ist, dass die Blume vergänglich ist – „Der ihn ein Hauch entführt“. Der Duft, die sinnliche Erfahrung, ist vergänglich, aber er eröffnet einen Blick auf etwas, das jenseits des irdischen Daseins liegt. Hier wird ein Gegensatz zwischen der greifbaren Welt und dem unendlichen, transzendenten Bereich etabliert. Die Blume selbst, so schön sie auch sein mag, steht für die irdische Vergänglichkeit.
Die zweite Strophe verstärkt diesen Gedanken weiter. Der Duft, der die Erfahrung auslöst, „läßt Ew’ges ahnen, Von unbegrenztem Leben voll“. Er öffnet die Tür zu einer Ahnung des Ewigen, des Unendlichen, des Lebens jenseits der Grenzen der Zeit und des Körpers. Im Gegensatz dazu ist die Blume, die Quelle des Duftes, nur ein Hinweis auf die Vergänglichkeit. Sie „kann nur mahnen, Wie schnell sie welken soll.“
Hebbel nutzt hier geschickt die Metapher von Blume und Duft, um über die menschliche Erfahrung der Vergänglichkeit und die Sehnsucht nach dem Ewigen zu reflektieren. Das Gedicht plädiert dafür, sich nicht an das Materielle und Vergängliche zu klammern, sondern sich von der flüchtigen, aber tiefgreifenden Erfahrung des Duftes führen zu lassen, die eine Ahnung von Unendlichkeit vermittelt. Die Blume dient als Mahnmal der Endlichkeit, während der Duft ein Fenster zur Ewigkeit öffnet.
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.