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Belsatzar

Von

Die Mitternacht zog näher schon;
in stummer Ruh lag Babylon.

Nur oben in des Königs Schloss,
das flackerts, da lärmt des Königs Tross.

Dort oben in dem Königssaal
Belsatzar hielt sein Königsmahl.
Die Knechte saßen in schimmernden Reihn,
und leerten die Becher mit funkelndem Wein.
Er klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht;
so klang es dem störrigen Könige recht.

Des Königs Wangen leuchten Glut;
im Wein erwuchs ihm kecker Mut.
Und blindlings reisst der Mut ihn fort;
und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort.
Und er brüstet sich frech und lästert wild;
die Knechtenschar ihm Beifall brüllt.

Der König rief mit stolzem Blick;
der Diener eilt und kehrt zurück.
Er trug viel gülden Gerät auf dem Haupt;
da war aus dem Tempel Jehovas geraubt.

Und der König ergriff mit kecker Hand
einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand.
Und er leert ihn hastig bis auf den Grund.
Und er rufet laut mit schäumendem Mund:

Jehova! Dir künd ich auf ewig Hohn –
ich bin der König von Babylon!

Doch kaum das grause Wort verklang,
dem König wards heimlich im Busen bang.
Das gellende Lachen verstummte zumal;
er wurde leichenstill im Saal.

Und sieh! und sieh! an weisser Wand
da kams hervor wie Menschenhand;
und schrieb, und schrieb an weisser Wand
Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand.

Der König stieren Blicks da saß,
mit schlotternden Knien und totenblass.
Die Knechtenschar saß kalt durchgraut,
und saß gar still, gab keinen Laut.

Die Magier kamen, doch keiner verstand
zu deuten die Flammenschrift an der Wand.

Belastzar ward aber in selbiger Nacht
von seinen Knechten umgebracht.

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Gedicht: Belsatzar von Heinrich Heine

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Belsatzar“ von Heinrich Heine erzählt von Hybris, Gotteslästerung und dem darauffolgenden, schrecklichen Untergang eines Königs. Das Gedicht spielt in Babylon zur Mitternacht, als alle Welt in Stille ruht, außer im Schloss des Königs. Dort feiert Belsatzar ein ausschweifendes Fest mit seinen Knechten, wo Wein in Strömen fließt und der König in seinem Übermut die Gottheit Jehova verhöhnt. Heines Verse erzeugen eine dichte Atmosphäre der Dekadenz und des Übermuts, die bald in ein beklemmendes Gefühl umschlägt.

Die zentrale Szene des Gedichts ist die Erscheinung einer geheimnisvollen Hand, die an die Wand des Festsaals flammende Buchstaben schreibt. Dieser Moment markiert den Höhepunkt der Dramatik und die unmissverständliche Warnung Gottes. Die Anwesenheit des „güldenen Geräts“ aus dem Tempel Jehovas, das Belsatzar stolz präsentiert, unterstreicht die Respektlosigkeit des Königs und die profanierende Natur seines Festes. Der Wein und die allgemeine Lebensfreude im Königssaal stehen dabei in starkem Kontrast zur stillen Stadt draußen, was die isolierte und verblendete Natur des Königs hervorhebt.

Die Reaktion des Königs und seiner Knechte auf die geheimnisvolle Schrift ist von Furcht und Lähmung geprägt. Das Lachen verstummt, die Farbe weicht aus den Gesichtern und die einst so stolze Gesellschaft erstarrt in Schock. Der Versuch der Magier, die Schrift zu deuten, scheitert, was die Macht Gottes und die Unfähigkeit des menschlichen Verstandes, sie zu begreifen, verdeutlicht. Die flammenden Buchstaben stehen für das unausweichliche Urteil und das nahende Ende Belsatzars.

Das Gedicht kulminiert in dem tragischen Tod Belsatzars, der in der gleichen Nacht von seinen eigenen Knechten ermordet wird. Heine entwirft hier ein eindrucksvolles Bild von Hochmut und Fall, eine Warnung vor Überheblichkeit und Gotteslästerung. „Belsatzar“ ist somit eine eindringliche Ballade, die nicht nur die biblische Geschichte von Belsatzar aufgreift, sondern auch die universellen Themen von Macht, Strafe und dem Untergang des Menschen in einer überhöhten, poetischen Form behandelt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.