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Bei Halle

Von

Da steht eine Burg überm Tale
Und schaut in den Strom hinein,
Das ist die fröhliche Saale,
Das ist der Gibichenstein.

Da hab ich so oft gestanden,
Es blühten Täler und Höhn,
Und seitdem in allen Landen
Sah ich nimmer die Welt so schön!

Durchs Grün da Gesänge schallten,
Von Rossen, zu Lust und Streit,
Schauten viel schlanke Gestalten,
Gleichwie in der Ritterzeit.

Wir waren die fahrenden Ritter,
Eine Burg war noch jedes Haus,
Es schaute durchs Blumengitter
Manch schönes Fräulein heraus.

Das Fräulein ist alt geworden,
Und unter Philistern umher
Zerstreut ist der Ritterorden,
Kennt keiner den andern mehr.

Auf dem verfallenen Schlosse,
Wie der Burggeist, halb im Traum,
Steh ich jetzt ohne Genossen
Und kenne die Gegend kaum.

Und Lieder und Lust und Schmerzen,
Wie liegen sie nun so weit –
O Jugend, wie tut im Herzen
Mir deine Schönheit so leid.

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Gedicht: Bei Halle von Joseph von Eichendorff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Bei Halle“ von Joseph von Eichendorff ist eine melancholische Reflexion über die Vergänglichkeit der Jugend und die Nostalgie nach einer vergangenen, idealisierten Zeit. Der Dichter betrachtet die Landschaft um die Burg Gibichenstein bei Halle, die er einst in seiner Jugend erlebt hat, und vergleicht sie mit der Gegenwart. Der Kontrast zwischen der strahlenden Vergangenheit und der tristen Gegenwart bildet das zentrale Thema des Gedichts.

In den ersten beiden Strophen wird die idyllische Schönheit der Vergangenheit beschworen. Die Burg, die Saale und die blühenden Täler und Höhen werden als Schauplätze unbeschwerter Freude und Schönheit beschrieben. Die Erinnerung an diese glückliche Zeit wird durch die Wiederholung von „so schön“ in Strophe 2 betont, wodurch die Intensität der Sehnsucht nach dem Verlorenen verstärkt wird. Die Erwähnung von „Rossen“ und „Ritterzeit“ in der dritten Strophe deutet auf eine romantische Verklärung der Vergangenheit hin, in der Abenteuer und Schönheit allgegenwärtig waren.

Die vierte und fünfte Strophe markieren einen Wendepunkt. Die „fahrenden Ritter“ und die „schönen Fräulein“ sind vergangen; die Ideale der Jugend sind der Realität der Gegenwart gewichen. Das „Fräulein“ ist gealtert, der Ritterorden zerstreut. Diese Metaphern des Verfalls und der Auflösung verdeutlichen den Verlust von Idealen und die Erosion der einst so lebendigen Welt. Die Welt ist nun „unter Philistern“.

In den letzten beiden Strophen wird die Isolation des Dichters und das Gefühl des Verlusts deutlich. Er steht allein, „ohne Genossen“, auf dem verfallenen Schloss und fühlt sich der Umgebung entfremdet. Das Gedicht endet mit einer direkten Ansprache an die Jugend, die durch die Formulierung „O Jugend, wie tut im Herzen / Mir deine Schönheit so leid“ eine tiefe Trauer über den Verlust der Jugendlichkeit und der damit verbundenen Emotionen ausdrückt. Die „Lieder und Lust und Schmerzen“ sind weit entfernt. Das Gedicht ist ein Ausdruck von Verlust und Wehmut, eine Ode an die Vergangenheit und eine Klage über die Vergänglichkeit des Lebens.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.