Beherzigung
Ach, was soll der Mensch verlangen?
Ist es besser, ruhig bleiben?
Klammernd fest sich anzuhangen?
Ist es besser, sich zu treiben?
Soll er sich ein Häuschen bauen?
Soll er unter Zelten leben?
Soll er auf die Felsen trauen?
Selbst die festen Felsen beben.
Eines schickt sich nicht für alle!
Sehe jeder, wie ers treibe,
Sehe jeder, wo er bleibe,
Und wer steht, dass er nicht falle!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Beherzigung“ von Johann Wolfgang von Goethe ist eine Reflexion über die Unbestimmtheit des menschlichen Lebens und die Suche nach dem richtigen Weg. Es beginnt mit einer Reihe von rhetorischen Fragen, die verschiedene Lebensentwürfe und Verhaltensweisen gegenüberstellen, ohne eine eindeutige Antwort zu geben. Der Dichter stellt die Frage nach dem menschlichen Streben, der Möglichkeit der Passivität und der Aktivität, der Suche nach Stabilität und der Bereitschaft zum Wandel. Er wirft Fragen nach dem Bauen von Häusern, dem Leben in Zelten und dem Vertrauen in die Natur auf, um die Vielschichtigkeit der Optionen und die Unsicherheit der menschlichen Existenz zu betonen.
Die zweite Strophe verdeutlicht die Erkenntnis, dass es keine allgemeingültige Lebensstrategie gibt. Die Aussage „Eines schickt sich nicht für alle!“ unterstreicht die Individualität und die Einzigartigkeit jedes Einzelnen. Die Metapher der „festen Felsen“, die sogar beben können, unterstreicht die Relativität von Sicherheit und Beständigkeit in der Welt. Die Verse fordern zur Selbstreflexion und zur individuellen Gestaltung des Lebensweges auf. Sie suggerieren, dass jeder Mensch seinen eigenen Weg finden und ihn auf seine Weise gehen muss. Der Dichter appelliert an die Eigenverantwortung und die Notwendigkeit, die eigene Situation zu analysieren und die persönlichen Entscheidungen zu treffen, die zum individuellen Glück oder zur Zufriedenheit führen können.
Die abschließenden Zeilen verstärken den Appell zur Selbstbeobachtung und zum verantwortungsvollen Handeln. „Sehe jeder, wie ers treibe, / Sehe jeder, wo er bleibe,“ mahnt zur Achtsamkeit und zur Reflexion über die eigenen Handlungen und deren Konsequenzen. Die abschließende Warnung „Und wer steht, dass er nicht falle!“ ist ein Appell zur ständigen Wachsamkeit. Sie deutet auf die Fragilität des menschlichen Daseins und die Möglichkeit des Scheiterns hin. Sie unterstreicht die Notwendigkeit, stets aufmerksam zu sein und die eigene Position zu überprüfen, um nicht zu stürzen, sowohl im übertragenen als auch im wörtlichen Sinne.
Goethes „Beherzigung“ ist somit ein Plädoyer für Individualität, Selbstverantwortung und ständige Selbstreflexion. Es ist ein Gedicht, das nicht belehrt, sondern zur Selbstfindung anregt, indem es die Unbestimmtheit des Lebens und die Notwendigkeit, seinen eigenen Weg zu finden, thematisiert. Die Kürze und Einfachheit der Sprache, kombiniert mit der Tiefe der Fragen, machen das Gedicht zu einem zeitlosen Appell an die Menschheit, das eigene Leben bewusst und verantwortlich zu gestalten.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.