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Barbara Allen

Von

Es war im Herbst, im bunten Herbst,
Wenn die rotgelben Blätter fallen,
Da wurde John Graham vor Liebe krank,
Vor Liebe zu Barbara Allen.

Seine Läufer liefen hinab in die Stadt
Und suchten, bis sie gefunden:
»Ach, unser Herr ist krank nach dir,
Komm, Lady, und mach′ ihn gesunden.«

Die Lady schritt zum Schloß hinan,
Schritt über die marmornen Stufen,
Sie trat ans Bett, sie sah ihn an:
»John Graham, du ließest mich rufen.«

»Ich ließ dich rufen, ich bin im Herbst,
Und die rotgelben Blätter fallen –
Hast du kein letztes Wort für mich?
Ich sterbe, Barbara Allen.«

»John Graham, ich hab′ ein letztes Wort,
Du warst mein all und eines;
Du teiltest Pfänder und Bänder aus,
Mir aber gönntest du keines.

John Graham, und ob du mich lieben magst,
Ich weiß, ich hatte dich lieber,
Ich sah nach dir, du lachtest mich an
Und gingest lachend vorüber.

Wir haben gewechselt, ich und du,
Die Sprossen der Liebesleiter,
Du bist nun unten, du hast es gewollt,
Ich aber bin oben und heiter.«

Sie ging zurück. Eine Meil′ oder zwei,
Da hörte sie Glocken schallen;
Sie sprach: »Die Glocken klingen für ihn,
Für ihn und für – Barbara Allen.

Liebe Mutter, mach ein Bett für mich,
Unter Weiden und Eschen geborgen;
John Graham ist heute gestorben um mich,
Und ich sterbe um ihn morgen.«

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Gedicht: Barbara Allen von Theodor Fontane

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Barbara Allen“ von Theodor Fontane erzählt eine tragische Liebesgeschichte, die im melancholischen Ambiente des Herbstes spielt. Es beginnt mit der Beschreibung von John Grahams Erkrankung, verursacht durch seine unerwiderte Liebe zu Barbara Allen. Die herbstliche Kulisse mit den fallenden Blättern untermalt die Schwere der Situation und die Vergänglichkeit des Lebens, was einen frühen Hinweis auf das tragische Ende gibt.

Die Interaktion zwischen John Graham und Barbara Allen ist von Kälte und Vorwurf geprägt. Barbara reagiert auf die Nachricht von Johns Krankheit zunächst distanziert und wirft ihm vor, ihre Liebe nicht erwidert zu haben. Sie erinnert sich an die Zeiten, in denen er andere Frauen bevorzugte und ihr keine Zuneigung schenkte. Diese Kälte und die Ablehnung unterstreichen die verpasste Chance einer erfüllten Liebe und die Bitterkeit, die aus unerwiderter Zuneigung entstehen kann. Barbara Allen repräsentiert hier die verletzte Frau, die nun, im Angesicht des Todes ihres Geliebten, ihre Macht demonstriert.

Das Gedicht nimmt eine Wendung, als John Graham stirbt. Barbara Allen, die zunächst ihre Macht über ihn auskostete, erkennt die Tragweite ihrer Worte und ihres Verhaltens. Die Glocken, die den Tod Johns ankündigen, rufen eine tiefe Trauer in ihr hervor. Sie realisiert, dass ihre Ablehnung und ihr Stolz nun dazu geführt haben, dass sie ihren Geliebten verloren hat. Ihr Wunsch nach einem Grab unter Weiden und Eschen signalisiert ihren Entschluss, sich ihm im Tod anzuschließen.

Fontanes Gedicht ist ein melancholisches Plädoyer für die Liebe und die Reue über verpasste Chancen. Die Botschaft ist klar: Stolz, Verletzlichkeit und die Unfähigkeit, Gefühle zu zeigen, können verheerende Folgen haben. Die tragische Romanze wird durch die simple, aber eindringliche Sprache und die wiederkehrenden Motive des Herbstes und der fallenden Blätter verstärkt, was die Vergänglichkeit des Lebens und die Tragik der Liebe zusätzlich betont.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.