Schreitend meinen Höhenpfad,
Seh ich, statt lebendger Flut,
Unter mir des Eises Flur,
Drauf der Wettlauf Tausender
Unermüdlich sich ergötzt.
Horch! Ein dunkel Geisterlied
Wie des Bienenkorbs Gesumms:
Dröhnend sonder Unterbruch
Durch die reine Winterluft
Des gestählten Schuhes Ton!
Meiner Jugend einzge Lust
Läutet dumpf zu mir empor.
Aus der Höhe
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Aus der Höhe“ von Conrad Ferdinand Meyer entfaltet ein komplexes Bild von Isolation, Kontemplation und der Erinnerung an vergangene Freude, eingebettet in eine winterliche Berglandschaft. Der Sprecher, der sich in der Höhe befindet, blickt auf eine Szenerie, die von Eis und dem Wettlauf von Menschen geprägt ist, und wird von einem tiefen Gefühl der Einsamkeit erfasst.
Die „Eises Flur“ und der „Wettlauf Tausender“ kontrastieren mit der inneren Welt des Sprechers. Anstatt der „lebendger Flut“ der Natur, die man in den wärmeren Jahreszeiten erwarten würde, dominiert das Eis die Szenerie. Der Wettlauf selbst, obwohl er „unermüdlich sich ergötzt“, scheint aus der Perspektive des Sprechers weit entfernt und irrelevant. Das „dunkel Geisterlied / Wie des Bienenkorbs Gesumms“ beschreibt sowohl das Geräusch des Eislaufens als auch die dumpfe Erinnerung an die Lebendigkeit der Vergangenheit. Der Vergleich mit dem Summen des Bienenkorbs evoziert ein Gefühl von Distanz und Fremdheit, als ob das Treiben der Menschen von einer anderen Welt kommt.
Die „reine Winterluft“ trägt den „gestählten Schuhes Ton“, der unermüdlich durch die Landschaft hallt, aber auch das Echo einer vergangenen Jugend mit sich führt. Der „dumpf“ läutende Klang der „einzge Lust“ der Jugend, die zum Sprecher „empor“ steigt, suggeriert Sehnsucht und Wehmut nach einer Zeit, die nun unerreichbar scheint. Dies deutet auf eine persönliche Erfahrung hin, in der die körperliche Distanz durch die Höhe auch die emotionale Distanz zur eigenen Vergangenheit und zur Lebendigkeit anderer Menschen symbolisiert.
Die Stimmung des Gedichts ist melancholisch und kontemplativ. Die Metaphern und der Klang der Worte erzeugen ein Gefühl von Isolation und der vergehenden Zeit. Das Gedicht fängt die Ambivalenz ein, die mit dem Rückzug aus der Welt verbunden ist: Einerseits die Ruhe und Distanz, andererseits das Gefühl der Entfremdung und der Verlust der Verbindung zur Lebensfreude. Der Sprecher scheint in der Höhe Zuflucht zu suchen, doch die Erinnerung an die Jugend und die Freude dringt in diese Isolation ein und macht die Einsamkeit noch intensiver.
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Lizenz und Verwendung
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