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Auff Jungfer Judith Tanckin Namenstagk

Von

Aurora kam herfür / das grosse Radt der Sonnen /
Die Fackel aller Welt / hett Augen schon gewonnen /
Und kam gleich auß der Seh: Diana gingk zur Ruh /
Der Sternen schöne Schar schloß ihre Strahlen zu:
Als ich / zu meiner Lust / im Garten ging spatzieren /
Da gahr kein Federvieh war weit undt breit zu spüren /
Da schon der rauhe Herbst die Blumen abgemeyt /
Den Feldern gantz entfürt ihr buntes Sommerkleit.
Ey (sprach ich) lieber Gott! wie alles sich vernewet?
Wie dieser sitzt und weint / undt jener sich erfrewet?
Wie alles Wechsel helt? Nun kompt der Schne herfür /
Und kurtz für diser Zeit war noch des Sommers Zier.
Vor wenig Stunden noch lag ich in vollem Treumen /
Umbringt mit schwartzer Nacht / nun geh ich bey den Beumen /
Die mit den Esten sich verschürtzen über ein /
An stat der Arme Bandt / und so gebunden sein.
Kein Wasser hat sich nun in langer Zeit ergossen /
Der Frost hat Erd und Mär / wie gleichsahm / gantz verschloßen /
Undt hellt die Wellen an / er bindt das gantze Landt /
Er heist die Schiffe stehn / und ist ein harter Bandt.
In summa / was du siehst in diesem grossen Runden /
Ja selbst das grosse Rundt / ist durch und durch gebunden /
O Mars / durch deinen Bandt / du ungebetner Gast
Hast unser armes Landt ietzt grausahm umbgefast.
Wer hilft uns doch von dir? Ist dann kein Raht zu finden?
Vor hat ein Weibesbildt die Waffen künnen binden /
O Freundin thu du auch / was Judith vor gethan /
Nimb / nechst dem Nahmen / auch der Judith Thaten an!
O Judith / Judith / komb / und hilf uns ietzt auß Nöten /
Weil Holofernes Här uns gäntzlich fast will tötten!
Dem gantzen Vaterlandt / und dir und mir zu guth!
Komb / komb / es ist schon Zeit sonst sint wir balt verlohren /
Wir haben ja den Wolff itzund schon bey den Ohren!
Komb / Holofernes geht / beladen von dem Wein /
Komb / komb / hier ist ein Schwert / kom / ich wil Abra sein!
Entbind du uns nur erst / so wollen wir dich binden /
Sonst lest des Krieges Bandt uns keine Bender finden /
Die deiner würdig sint; für eine zarte Handt
Gehört kein hart Metall / viel mehr ein gülden Bandt.
Was wil ich aber dir / O du mein halbes Leben!
O du mein ander Ich! für einen Bandt doch geben?
Nimb hin mein trewes Hertz zu einer kleinen Gab /
Nimb hin den trewen Sin / und alles / was ich hab.
Wir / die wir Freunde sein nicht bloß nur vom Geblüte /
Besondern noch viel mehr und neher vom Gemüte /
Sind langst gebunden zwar / doch folg ich (ohn das) auch
Dem alten und zugleich auch löblichen Gebrauch.
Der Freundschaft werter strick mag heut mein Bandt auch bleiben /
So wirt ja niemand mehr uns von einander treiben;
Ob zwar ein grosses Theil der Kugelrunden Welt
Sich heut noch zwischen uns und unser Fretow stelt;
So wirt sich doch mein Hertz von deinem eh nicht scheiden /
Eh dan die Sehle muß des Leibes Kercker meiden /
In mittelst laß mein Hertz dir sein ein festes Bandt /
Bis ich dir (wenn Gott wil) kan bieten selbst die Handt.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Auff Jungfer Judith Tanckin Namenstagk von Sibylla Schwarz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Auff Jungfer Judith Tanckin Namenstagk“ von Sibylla Schwarz ist eine komplexe und vielschichtige Anrufung, die anlässlich des Namenstages von Judith Tanck verfasst wurde. Es vereint Elemente der Naturbeobachtung, der politischen Anspielung, der religiösen Bitte und der Liebeserklärung, wodurch ein vielschichtiges Bild der Freundschaft und der Hoffnung entsteht.

Das Gedicht beginnt mit einer Beschreibung des herbstlichen Morgens und der Natur, die sich im Wandel befindet. Die Autorin stellt die Vergänglichkeit des Sommers und die Ankunft des Winters fest. Diese Beobachtung dient als Metapher für die Ungewissheit und die Bedrohung, die das lyrische Ich und seine Umgebung erleben. Der „raue Herbst“ und der „Frost“ stehen für die Widrigkeiten und Gefahren, die durch den Krieg und die Unterdrückung verkörpert werden. Die Bindung der Natur durch den Frost spiegelt die Fesseln wider, die die Gesellschaft zu tragen hat. Diese düstere Stimmung wird durch die folgende Anrufung an Jungfer Judith aufgelockert.

Der Hauptteil des Gedichts ist eine direkte Anrufung an Judith, in der die Autorin sie auffordert, die Rolle der biblischen Judith zu übernehmen, die den General Holofernes tötete und ihr Volk befreite. Die Autorin beschreibt die gegenwärtige Situation als ähnlich bedrohlich und hofft, dass Judith die „Fesseln des Krieges“ durchbrechen und die Unterdrückung beenden kann. Die wiederholten Rufe „Komb, komb“ und die direkten Anweisungen unterstreichen die Dringlichkeit und die Hoffnung auf Befreiung. Dabei wird Judith als Freundin und Verbündete angesprochen, deren Fähigkeiten und Stärke gefeiert werden.

In den abschließenden Versen wandelt sich die politische und religiöse Bitte in eine persönliche Liebeserklärung und ein Bekenntnis zur Freundschaft. Die Autorin bietet Judith ihr „treues Herz“ und ihren „treuen Sinn“ als Zeichen ihrer Verbundenheit an. Sie betont die tiefe Verbindung, die über das bloße Blutsverwandtschaft hinausgeht, und die sie als „Freunde vom Gemüte“ auszeichnet. Die „Freundschaftsbande“ wird als stärker als alle äußeren Hindernisse dargestellt. Am Ende drückt die Autorin ihre Hoffnung aus, dass ihre Freundschaft bestehen bleibt, selbst wenn sie durch die Umstände getrennt sind, und dass sie sich eines Tages wieder vereinen können.

Insgesamt ist das Gedicht ein komplexes Zusammenspiel von politischen, religiösen und persönlichen Elementen. Es ist ein Appell an die Stärke und den Mut, der in einer Zeit der Not nach Befreiung sucht. Durch die Anrufung von Judith verbindet Sibylla Schwarz die Hoffnung auf eine bessere Zukunft mit einem tiefen Bekenntnis zur Freundschaft und Liebe. Das Gedicht ist nicht nur eine Bitte um Hilfe, sondern auch ein Ausdruck der Dankbarkeit, der Hoffnung und des Vertrauens in die Kraft der menschlichen Beziehungen in schwierigen Zeiten.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.