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Auf Ihres Landesfürsten Tod (an M. S. G.)

Von

die zehende Musen genennet

Ach / ach / wie müssen doch in diesen letzten Tagen /
Da nichts als Kriegen ist / die wehrten Musen klagen!
Apollo weynet selbst und tregt ein Trauerkleid /
Die drey mal dreye stehn / und klagen wie das Leid
Von allen Seiten her sie ietzundt hab umbgeben /
Sie wünschen sich den Todt für solch ein tödtlich Leben /
Und weynen bitterlich / die Clio schreibt es an /
Was ihn′n die Mörderinn / die Zeit / hat angethan.
Der nimmerstille Mars steht ihn′n zur einen seiten /
Verlacht ihr Seitenspihl / lobt nur allein sein Streiten /
Und frisst sich nimmer satt an so viel Christen Bluht /
Doch ist das minste das / von allem / was er thut;
Er pfleget ihn′n durch Mort die Thür und Thor zu weisen /
Drumb will die kluge Schar itz weit von hinnen reisen /
Und steht nur auf dem Sprungk / ist wegk zu zieh′n bereit /
Und weiß doch nicht / wohin / weil alle Welt voll Streit.
Doch klagen sonderlich sie / daß der Held gestorben /
Mit dem das Land noch guht / ohn / den es war verdorben /
Sie nehmen sich auch an des Vaterlandes Noth /
Undt trauren Tagk und Nacht ümb unsers Fürsten Todt.
Da das Palladium in Troja war zu finden /
Hat sie der Griechen Macht nicht können überwinden /
So bald sich das verlohr / ward Troja außgeheert /
Und was darinnen war / durch Mort und Brandt verzehrt:
So lang wir unsern Schirm / und Landes Vatter hetten /
Wahr ja noch Fried und Ruh / wer will uns nun vertretten?
Wer nimpt sich unser an / nun ist es mit uns auß /
Es kracht / es bricht / es fellt / es liegt der Hoffnung Hauß.
Das ist noch nicht genuch / den steht zur andern Seiten
Des bleichen Neides Schar / und will auch mit uns streiten;
Nechst deme kömpt zu letzt Herr Momus auch heran /
Der alles tadlen zwar / doch nichtes machen kan.
Und das empfinden auch insonderheit für allen
Die / so die Poesey sich lassen wohlgefallen;
Die edle Poesey / die selbst der Himmel giebt /
Wird jetzo mehr gehast / gelästert / als geliebt.
Der Neid / ihr ärgster Feind weiß gnugsahm fürzugeben /
Dardurch der hohen Lust genomen wirt das Leben;
Sein Heer ist gahr zu starck / wer kan ihm wiederstehen?
Doch wehr er noch so groß / er muß doch untergehn /
Die Leyer zwinget ihn / sie dringt durch alle Sachen /
Die einen Menschen Sonst gahr balt verderbet machen;
Sie ist das / was den Sinn macht fliegend und entzückt /
Sie ist das werthe Pfandt / das uns Apollo schickt;
Sie ist der Sprachen Ruhm / die Tugendt aller Tugendt;
Sie ist der Künsten Kunst / Sie ist die Zierd der Jugendt;
Sie lebt / wen alles stirbt / und kan nicht untergehn /
Wen gleich die grosse Welt nicht länger kan bestehn.
Ich / die Ich nicht begehr durch dis berümt zu werden /
Was mir Apollo giebt / noch dadurch von der Erden
Will hoch erhoben sein biß an des Himmels dach /
Das ob es selbst schon hoch / nicht hochheit leiden mach
Im gleichen auch nicht will / daß Fama mir soll geben
Den Nahmen / daß ich kan auch nach dem Tode leben
(Den das ist mir zu hoch / begehr ich das zu lohn /
So geht es mich gewiß / wie vor dem Phaeton)
Kan doch / so schlecht ich bin / die Leyer nimmer haßen /
Wen ich sie lassen soll / so muß ich selbst mich laßen /
Das sagt mich die Nathur / und kan ich ja nicht mehr
Ihr sonst zu dienste seyn / so lieb′ ich sie doch sehr.
Und weil auch Phebus den′n / die seine sachen lieben /
Eß sey so viel eß will / doch etwas hat verschrieben /
So zwinget mir die Lust / die alles zwingen kan /
Das / was der Himmel giebt / zu nehmen willig an.
Eß ist mir eine Lust / wen ich den Pierinnen /
Den dreyen Gratien / den dreymahl drey Göttinnen /
Kan zu den füssen stehn / und wünsche nur allein
Der Musen Mägde Magd / und denen lieb zu seyn /
Die auch der edlen Lust der Poesey verbunden /
Da dan noch zweiffels frey derselben viel gefunden /
Die theils mir ohne das / theils durch den Ruhm bekant /
Der mir / wiewohl ich sein nicht werth / ist zugewandt /
Daführ ich danckbahr noch will jederzeit erscheinen /
Und was ich nicht kan thun / giebt Phebus selbst den seinen /
Die ob sie zwar wol itzt verfolgt seyn weit und breit /
Doch kriegen einen Krantz / den nicht entlaubt die Zeit.

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Gedicht: Auf Ihres Landesfürsten Tod (an M. S. G.) von Sibylla Schwarz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Auf Ihres Landesfürsten Tod (an M. S. G.)“ von Sibylla Schwarz ist eine elegische Reflexion auf den Tod eines Landesfürsten, eingebettet in eine allgemeine Klage über die widrigen Umstände der Zeit, wahrscheinlich während des Dreißigjährigen Krieges. Das Gedicht beginnt mit einem Appell an die Musen, die über das Leid der Welt, geprägt von Krieg und Zerstörung, klagen. Diese einleitende Szene etabliert den melancholischen Ton und die Betonung des Verlustes, die das gesamte Gedicht durchziehen.

Im weiteren Verlauf werden die verschiedenen Kräfte aufgeführt, die das Unglück der Zeit verstärken. Neben dem nimmerstillen Mars, der Krieg verkörpert, und dem Neid, der die Künste angreift, wird auch der Spott des Momus angeprangert. Die Dichterin beklagt den Verlust des Landesfürsten als Schutzherren, der Frieden und Ruhe gewährt hatte. Der Tod des Fürsten wird als ein Verlust von Stabilität und Ordnung dargestellt, was zu einer tiefen Verunsicherung und dem Gefühl des Zusammenbruchs führt. Die Metapher des fallenden „Hoffnungshaußes“ unterstreicht diese Verzweiflung.

Ein zentrales Element des Gedichts ist die Verteidigung der Poesie und der Künste. Schwarz hebt die Bedeutung der Poesie als Quelle der Freude, des Trostes und der Unsterblichkeit hervor. Trotz der widrigen Umstände und der Feindschaft von Neid und Spott wird die Poesie als widerstandsfähig und unsterblich dargestellt, die selbst den Tod überdauert. Die Leyer, das Instrument der Dichtung, wird als Mittel der Befreiung und des Trostes gefeiert. Die Dichterin bekennt sich zur Liebe zur Poesie und zum Dienst an den Musen, was ihr Trost und Kraft gibt.

Schwarz’s Gedicht ist ein Zeugnis der Resilienz und der Hoffnung inmitten von Leid und Zerstörung. Die Autorin verwebt persönliche Trauer mit einem universalen Gefühl der Verzweiflung über die Zustände ihrer Zeit, gleichzeitig aber feiert sie die Macht der Kunst, Trost zu spenden und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu bewahren. Das Gedicht ist ein bewegender Ausdruck der Trauer und der Sehnsucht nach Frieden, gekoppelt mit einer tiefen Wertschätzung der Poesie als Quelle der Stärke und der Unsterblichkeit.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.