Auf Goldgrund
Ins Museum bin zu später
Stunde heut ich noch gegangen,
Wo die Heilgen, wo die Beter
Auf den goldnen Gründen prangen.
Dann durchs Feld bin ich geschritten
Heisser Abendglut entgegen,
Sah, die heut das Korn geschnitten,
Garben auf die Wagen legen.
Um die Lasten in den Armen,
Um den Schnitter und die Garbe
Floss der Abendglut, der warmen,
Wunderbare Goldesfarbe.
Auch des Tages letzte Bürde,
Auch der Fleiss der Feierstunde
War umflammt von heilger Würde
Stand auf schimmernd goldnem Grunde.
Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Auf Goldgrund“ von Conrad Ferdinand Meyer beschreibt eine kontemplative Erfahrung, die der Autor in einem Museum und später auf einem Feld erlebt. Das Gedicht zeichnet sich durch eine klare Struktur und eine eindrucksvolle Bildsprache aus, die durch das wiederkehrende Motiv des Goldes eine Atmosphäre von Erhabenheit und Transzendenz erzeugt. Die erste Strophe verortet den Betrachter in einem Museum, wo er Heilige und Beter auf „goldnen Gründen“ betrachtet, was bereits einen Hinweis auf die zentrale Thematik des Gedichts gibt: die Transformation des Gewöhnlichen in etwas Heiliges und Wertvolles durch die Wahrnehmung von Schönheit und Erhabenheit.
Die zweite und dritte Strophe verlagern die Szenerie ins Freie, auf ein Feld, wo die Ernte stattfindet. Hier wird die Abendglut als ein allgegenwärtiges, vergoldendes Element eingeführt. Die warmen Farben des Abends umfließen die Arbeiter und das geerntete Korn, wodurch eine Verschmelzung von Natur, Arbeit und Licht entsteht. Die „Garben auf die Wagen legen“ werden im goldenen Schein zu einem erhabenen Anblick, der die gewöhnliche Tätigkeit in einen Moment von feierlicher Würde erhebt. Die poetische Darstellung des Ernteprozesses, eingebettet in das goldene Licht, deutet auf die Vergänglichkeit und Schönheit des Lebens hin.
Die letzte Strophe fasst die zentrale Botschaft des Gedichts zusammen. „Auch des Tages letzte Bürde, / Auch der Fleiss der Feierstunde / War umflammt von heilger Würde, / Stand auf schimmernd goldnem Grunde.“ Hier wird klargestellt, dass nicht nur die Heiligen im Museum, sondern auch die tägliche Arbeit und das Ende des Tages von einer „heilgen Würde“ umgeben sind. Das Gold, das in allen Strophen präsent ist, symbolisiert die Transformation, die durch die Wahrnehmung des Schönen und Erhabenen stattfindet. Es verwandelt das Alltägliche in etwas Wertvolles und Heiliges, was dem Gedicht seine tiefe spirituelle Bedeutung verleiht.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Meyer in „Auf Goldgrund“ eine tiefgründige Reflexion über die Schönheit, die Würde und die Vergänglichkeit des Lebens bietet. Durch die kraftvolle Bildsprache und das wiederkehrende Motiv des Goldes, welches die Welt veredelt, gelingt es ihm, eine Atmosphäre von Erhabenheit zu schaffen. Das Gedicht lädt den Leser ein, die Welt mit offenen Augen zu betrachten und auch im Alltäglichen das Schöne und Heilige zu erkennen, was die wahre Tiefe der poetischen Aussage des Werkes ausmacht.
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.