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Auf einen Granatapfel

Von

Find‘ ich dich hier in deiner grünen Krone?
Zerspaltest du die purpurrothe Brust
An dieser Sonn‘? o Liebling der Pomone!
O Proserpinens Apfel! die mit Lust
Und Wollust deine goldnen Körner
Im Reich des Höllengottes ass,
Und allen Nektar ferner
Und den Olymp vergass.

Der Erdball ändert sich: das Meer entfliehet,
Und macht dem Pfluge Raum; der Fels sinkt ein;
Und, o Berlin! dein dürrer Boden blühet:
Pomona füllt ihr Horn in dir allein,
In dir kann Flora, nach Begehren,
Sich tausendfache Kränze drehn,
Und ganz verdeckt in Aehren
Die blonde Ceres gehn.

Und fremde Bäum‘, ihr junges Haupt umschoren,
Bringt dir Sylvan, und zieht ein Labyrinth
Von Büschen auf vor diesen stolzen Thoren,
Die mir und allen Künsten offen sind,
Die jetzt auf Flügeln Dädals eilen,
Hoch über Meer und über Land,
Bleymasse, Meissel, Feilen
In ihrer harten Hand.

Urplötzlich sind der Felsen graue Rücken
Zu Tempeln und Palästen ausgehöhlt,
Die rund umher der Pyrrha Kinder schmücken,
Noch halb den Steinen gleich, und halb beseelt.
Ihr Götter! prächtig aus Ruinen
Erhebt sich euer Pantheon:
Die Weisen alle dienen,
Die Völker lernen schon.

Sagt, Sterbliche, den Sphären ihre Zahlen,
Und sagt dem wilden Winde seinen Lauf,
Und wägt den Mond, und spaltet Sonnenstralen,
Deckt die Geburt des alten Goldes auf,
Und steiget an der Wesen Kette
Bis dahin, wo den höchsten Ring
Zevs an sein Ruhebette
Zu seinen Füssen hieng.

Wohl dir, o du, durch meinen Freund regieret,
Athen an Geist, voll Muth, wie Sparta war:
Es zog, von Kastors Liede gern verführet,
Zum Kampf hinaus mit aufgebundnem Haar;
Die Feinde, die den Kampf verloren,
Erwiederten, (nicht ohne Neid!)
Die Stadt sey nur geboren
Zu Waffen und zum Streit. –

So sang Kalliope, die, voll Entzücken,
Mit ihrer kriegerischen Tuba kam,
Und, nicht gesehn von ungeweihten Blicken,
Den Weg zum Tempel des Apollo nahm,
Wo schon mit Lauten und mit Flöten,
Verlarvt und im Zypressenkranz,
Sich ihre Schwestern drehten
Im schönsten Reihentanz.

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Gedicht: Auf einen Granatapfel von Karl Wilhelm Ramler

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Auf einen Granatapfel“ von Karl Wilhelm Ramler ist eine vielschichtige Ode, die weit über die bloße Beschreibung einer Frucht hinausgeht. Es ist eine Reflexion über Schönheit, Vergänglichkeit, die Künste, Wissenschaft und die Entwicklung der menschlichen Zivilisation. Der Granatapfel dient dabei als Metapher für all diese Themen.

Die ersten beiden Strophen widmen sich zunächst dem Granatapfel selbst, der als „Liebling der Pomone“ und „Proserpinens Apfel“ bezeichnet wird. Diese Anspielungen auf die römische Göttin der Obstgärten und die griechische Unterwelt weisen auf die Dualität des Lebens hin: die Schönheit und Freude der Frucht, aber auch die Vergänglichkeit und der Bezug zur Unterwelt. Die Ankunft der Frucht in Berlin wird als ein Zeichen des Wandels gesehen, der das „dürre“ Berlin erblühen lässt. Der Granatapfel wird hier als Symbol für die fruchtbare Erneuerung und den Fortschritt innerhalb einer sich wandelnden Welt verstanden.

Die folgenden Strophen erweitern den Blick und thematisieren die Künste und die wissenschaftliche Entwicklung. Die „fremden Bäum'“ und das „Labyrinth von Büschen“ symbolisieren die fortschreitende kulturelle und intellektuelle Entwicklung Berlins. Der Aufbruch der Künste und die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die „den Sphären ihre Zahlen“ sagen, werden als Ausdruck des menschlichen Fortschritts gefeiert. Der Granatapfel, aus dem die einzelnen Zeilen entstehen, wird zum Katalysator für diese Entwicklung, zum Sinnbild für die Entfaltung des menschlichen Geistes.

Die abschließenden Strophen zollen der Stadt Berlin und dem Geist der Aufklärung Tribut, der sich durch das Wirken des „Freundes“ des Dichters manifestiert. Die Anspielung auf Athen und Sparta deutet auf die Ideale von Geist, Mut und Kampfeslust hin, die in Berlin wiedergeboren werden. Die abschließende Beschwörung der Muse Kalliope und ihres Tanzes im Tempel des Apollo, unterstreicht die Bedeutung von Kunst, Musik und Schönheit. Das Gedicht vereint somit verschiedene Aspekte des menschlichen Lebens, von der sinnlichen Freude am Granatapfel bis zur Erhabenheit der Künste und Wissenschaften, in einem Lobgesang auf Fortschritt und Erneuerung.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.