Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , ,

Auf ein errötendes junges Mädchen, das ich im Louvre sah

Von

Ich ließ mein Auge auf dem deinen ruhn,
Da ward zur Purpurflamme dein Gesicht;
Du warst ein Kind, ein Mädchen bist du nun,
So weigre auch die Mädchenfrucht mir nicht.

Dein Mund ist reif jetzt für den ersten Kuß,
Er gleicht der Herzenskirsche, die zersprang
Vor aller Feuersäfte letztem Schuß,
Und nun verspritzt, was sie so heiß durchdrang.

Ich hab′ ein Recht auf ihn, ich hab′ in dir
Die Glut, die ihn gezeitigt hat, geweckt,
Drum raub′ ich ihn mit kecker Lippe mir,
Wie Vögel Beeren, die kein Laub mehr deckt.

Vielleicht vollendet dieser Kuß mein Glück,
Du wirst durch ihn dir deiner ganz bewußt,
Und wie du Mädchen wardst vor meinem Blick,
So wirst du auch noch Weib an meiner Brust!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Auf ein errötendes junges Mädchen, das ich im Louvre sah von Friedrich Hebbel

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Auf ein errötendes junges Mädchen, das ich im Louvre sah“ von Friedrich Hebbel ist eine direkte, beinahe aufdringliche Ansprache an ein junges Mädchen, die der Sprecher im Louvre beobachtet hat. Die Gedichtform ist durch klare Reime und einen vergleichsweise einfachen Sprachstil gekennzeichnet, was die Intimität und Unmittelbarkeit der Ansprache verstärkt. Der Sprecher deutet die Röte im Gesicht des Mädchens als Zeichen erwachender Sinnlichkeit und drückt den Wunsch nach einem Kuss aus, der als Übergang von der Kindheit zum Frau-Sein gesehen wird.

Das Gedicht entfaltet sich in drei Strophen, in denen der Sprecher seine Beobachtung und seine darauf basierenden Schlüsse präsentiert. In der ersten Strophe wird das errötende Gesicht des Mädchens als auslösender Moment für die eigene Begehrung dargestellt. Die Metapher der „Purpurflamme“ deutet auf die Intensität der Gefühle und die beginnende körperliche Verwandlung des Mädchens hin. Der Sprecher leitet daraus ab, dass das Mädchen nun „Mädchenfrucht“ – also den Kuss – gewähren solle. In der zweiten Strophe wird die Metapher fortgesetzt und der Mund des Mädchens mit einer reifen Kirsche verglichen, deren „Feuersäfte“ nun freigesetzt werden. Dies verstärkt das Bild der sexuellen Reife und des Begehrens.

Die dritte Strophe nimmt eine selbstbewusste Haltung ein. Der Sprecher beansprucht ein „Recht“ auf den Kuss, da er, so die Implikation, durch sein Ansehen und seine Worte die Gefühle des Mädchens erst geweckt habe. Der Vergleich mit Vögeln, die unbedeckt Beeren rauben, verdeutlicht die Direktheit und Unverblümtheit der Forderung. Das Gedicht endet mit einer optimistischen Erwartung, dass der Kuss das Glück des Sprechers vollenden und das Mädchen sich seiner „ganz bewusst“ werde, wobei die Wandlung vom Mädchen zur Frau durch die Verbindung von Blick und Kuss hervorgehoben wird.

Insgesamt ist das Gedicht ein Ausdruck männlicher Perspektive auf die beginnende sexuelle Entwicklung eines Mädchens. Es ist durchdrungen von einer Mischung aus Beobachtung, Verlangen und einem gewissen Anspruchsdenken. Die Sprache ist sinnlich und direkt, und die Metaphorik unterstreicht die erotische Spannung. Das Gedicht wirft Fragen nach der Rolle des Betrachters und der Objektifizierung des Mädchens auf und ist ein Beispiel für die Auseinandersetzung mit Sexualität und Geschlechterrollen in der Literatur des 19. Jahrhunderts.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.