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Auf ein altes Mädchen

Von

Dein Auge glüht nicht mehr, wie einst,
Und deine Wang′ ist nicht mehr rot,
Und wenn du jetzt vor Sehnsucht weinst,
So gilt es keinem, als dem Tod.
Nichts bist du, als ein Monument,
Das, halb verwittert und gering,
Nur kaum noch einen Namen nennt,
Mit dem ein Leben unterging.

Doch, wie hervor die Toten gehn
Aus ihrer Gruft in mancher Nacht,
Darfst du zuweilen auferstehn
Zu altem Glanz und alter Pracht,
Wenn tief dich ein Gefühl ergreift,
Wie es vielleicht dich einst bewegt,
Und dir den Schnee vom Herzen streift,
Der längst sich schon darauf gelegt.

Da bist du wieder, wie zuvor,
Und was die Mutter einst entzückt,
Wodurch du der Gespielen Chor
Einst anspruchlos und still beglückt,
Das alles ist noch einmal dein,
Von einem Wunderstrahl erhellt,
Gleichwie vom späten Mondenschein
Die rings in Schlaf begrabne Welt.

Mir aber wird es trüb zumut,
Mir sagt ein unbekannter Schmerz,
Daß tief in dir verschlossen ruht,
Was Gott bestimmt hat für mein Herz,
Und will′s dann hin zu dir mich ziehn,
Ach, mit allmächtiger Gewalt,
So muß ich stumm und blutend fliehn,
Denn du bist wieder tot und kalt.

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Gedicht: Auf ein altes Mädchen von Friedrich Hebbel

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Auf ein altes Mädchen“ von Friedrich Hebbel ist eine melancholische Auseinandersetzung mit dem Verfall, der vergehenden Jugend und der unerfüllten Liebe. Es beschreibt die Metamorphose eines alten Mädchens, das im Laufe der Zeit seine jugendliche Ausstrahlung verloren hat, aber gelegentlich in Momenten tiefer Sehnsucht und Erinnerung zu ihrem früheren Glanz zurückkehrt. Dabei wird die Vergänglichkeit des Lebens und die Tragik des vergeblichen Begehrens thematisiert.

Im ersten Teil des Gedichts wird der körperliche Verfall des Mädchens beschrieben: Ihr Blick glüht nicht mehr, ihre Wangen sind nicht mehr rot, und ihre Tränen gelten jetzt nur noch dem Tod. Sie ist zu einem „Monument“ geworden, das nur noch an ein vergangenes Leben erinnert. Der Dichter, der sie beobachtet, sieht in ihr ein Symbol für die Vergänglichkeit und die Überwindung der Lebendigkeit durch den Zahn der Zeit. Dies wird durch die Metapher des „verwitterten“ Monuments unterstrichen, das kaum noch einen Namen trägt.

Der zweite Teil enthüllt eine poetische Hoffnung: Gelegentlich erlebt das alte Mädchen einen Moment der Wiedergeburt, in dem es zu alter Pracht und altem Glanz zurückkehrt. Ein tiefes Gefühl, vergleichbar mit den Emotionen, die sie einst bewegten, lässt den „Schnee“ von ihrem Herzen schmelzen. Dieses Erwachen wird als eine Art Wiederauferstehung beschrieben, bei der die verlorene Schönheit und Lebendigkeit für einen flüchtigen Moment zurückkehren. Hier drückt sich die Sehnsucht nach der Vergangenheit und die Unfähigkeit, die Zeit aufzuhalten, aus.

Im letzten Abschnitt kippt die Stimmung in eine persönliche Tragödie. Der Dichter, der von den Momenten der Wiederauferstehung fasziniert ist, muss erkennen, dass das, was er in der alten Frau sucht, in ihr verschlossen bleibt und für ihn unerreichbar ist. Er fühlt sich von ihr angezogen, aber zugleich von einer „allmächtigen Gewalt“ abgewiesen, die ihn zur Flucht zwingt. Die Frau kehrt in ihren kalten, toten Zustand zurück, was die Unerreichbarkeit der Liebe und die Tragik des Vergehens unterstreicht. Der Dichter kann die Vergangenheit nicht ergreifen, und die Sehnsucht nach der unerfüllten Liebe bleibt ein schmerzliches Gefühl.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.