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Ans Vaterland, ans teure schließ Dich an…

Von

Ans Vaterland, ans teure schließ Dich an
Und halt ihn fest mit Deinem ganzen Herzen:
Denn wer ihn nicht mehr halten kann,
Der kann ihn auch verschmerzen.

Verschmerzen kann er ihn jedoch
In Pommern und in Pasing
Man fing ihn ein bei Biberoch
Und schrieb ihm einen Necroloch
Bei Velhagen und Klasing.

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Gedicht: Ans Vaterland, ans teure schließ Dich an... von Hugo Ball

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Ans Vaterland, ans teure schließ Dich an…“ von Hugo Ball ist eine ironische Auseinandersetzung mit dem Begriff der Heimat und dem Patriotismus, der im Kontext des Ersten Weltkriegs und der aufkommenden Dada-Bewegung neu bewertet wurde. Das Gedicht beginnt mit einem Appell an die Verbundenheit mit dem Vaterland, der jedoch durch die nachfolgenden Zeilen in Frage gestellt und dekonstruiert wird. Der scheinbar traditionelle patriotische Ton der ersten Strophe dient als Ausgangspunkt für die satirische Darstellung der Realität des Krieges und der damit verbundenen Entfremdung.

Die zweite Strophe nimmt eine groteske Wendung. Anstatt einer tiefgreifenden Trauer oder einem Verlust, wird der Tod als eine Art bürokratischer Vorgang dargestellt. Das „Verschmerzen“ des Vaterlands wird durch Ortsnamen wie Pommern und Pasing verortet, was die Bedeutung des „Vaterlands“ auf eine abstrakte, fast beliebige geografische Größe reduziert. Die Erwähnung von „Biberoch“ und „Velhagen und Klasing“ verweist auf die Banalität und die Medialisierung des Todes im Krieg. Der Tote wird „eingefangen“ und eine „Necroloch“ (offenbar eine Anspielung auf Nekrolog) wird geschrieben, was die Entmenschlichung und Reduktion des Individuums auf eine statistische Größe im Kontext des Krieges verdeutlicht.

Balls Gedicht nutzt subtile sprachliche Mittel, um seine Kritik auszudrücken. Der Gegensatz zwischen der pathetischen Eröffnungszeile und der anschließenden, fast nüchternen Darstellung des Todes ist bezeichnend. Die Verwendung von unsentimentalen Begriffen und die Erwähnung von Orten und Verlagen statt einer tiefen Trauer unterstreicht die Absurdität des Krieges und die Entfremdung des Individuums von seinem „Vaterland“. Die Reime, die für das Gedicht gewählt wurden, verstärken den ironischen Unterton und betonen die Kluft zwischen dem idealisierten Bild des Patriotismus und der Realität.

Insgesamt ist das Gedicht eine dadaistische Persiflage auf den Patriotismus und die Kriegspropaganda. Es kritisiert die Vereinfachung und Idealisierung der Heimatliebe im Kontext des Krieges. Hugo Ball, einer der Begründer des Dadaismus, nutzte hier die Mittel der Ironie, der Satire und der Dekonstruktion, um die Sinnlosigkeit des Krieges und die Entfremdung des Menschen in einer von Krieg geprägten Gesellschaft aufzuzeigen. Das Gedicht ist ein Kommentar zur Zerstörung der menschlichen Werte durch den Krieg und ein Aufruf zur Hinterfragung der überholten patriotischen Ideale.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.