Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

An Helene

Von

I.

Geliebtes Kind! zum Trost, daß ferne
Von dir die Welle mich verschlug,
Wie ruf′ ich mir so oft, so gerne
Zurück dein Antlitz, Zug für Zug!
Als wär′st du leibhaft mir erschienen
Stehst du vor mir, Geberd′ und Mienen
So hold, so sittig und so klug!

Ja! tief hab′ ich es eingesogen,
Dein Bild in meiner Seele Grund!
Ich seh′ der Stirne reinen Bogen,
Das zarte Kinn, den weichen Mund,
Der Augen klare Lichtkristalle,
Das blonde Haar, im lock′gen Falle
Umspielend des Gesichtchens Rund!

Sie mögen neckend nur erwiedern,
Ein Schönheitwunder seist du nicht!
Wer kann, wer mag den Reiz zergliedern,
Der ihn mit süßem Bann umflicht?
Wer krittelnd erst durchspäh′n die Züge,
Aus denen ohne Falsch und Lüge
So rein der Stral des Himmels bricht?

Ich weiß nur Eines: wenn verlocken
Mich will ein trügerisches Licht,
Die Leidenschaft mit Sturmesglocken
Zu dem bethörten Geiste spricht:
Dann kämpft den wilden Aufruhr nieder,
Des Friedens Klarheit schenkt mir wieder
Ein Blick in dieses Angesicht!

Und wenn ich zu erliegen meine
Des Tagwerks dumpfem Einerlei,
Ein einz′ger Blick auf dich, du Meine!
Und ich bin wieder stark und frei.
O du mein Licht auf dunklem Pfade!
Du Zeugniß mir von Gottes Gnade!
Du nur im Herbst erblühter Mai!

II.

So Mancher staunt und sinnt, und weiß
Den Grund nicht zu ermessen,
Der mich das fremde Kind so heiß
Läßt an den Busen pressen.

Weil von Geschlecht sich zu Geschlecht
Die Adern nicht verzweigen,
Verkennen sie das höh′re Recht
Kraft dessen du mein eigen.

Du bist, – mit Zaubermacht bespricht
Dieß Wort mir alle Schmerzen, –
Zwar Blut von meinem Blute nicht,
Doch Herz von meinem Herzen.

III.

Es war an einem Frühlingsmorgen,
Die Rosen blühten, der Jasmin,
Von dem Gesträuche halb verborgen
Lugt′ ich verstohlen nach dir hin.
Du knietest an des Weihers Rand,
Umspielt vom hellen Sonnenscheine
Und suchtest emsig bunte Steine
Am Wege, mit geschäft′ger Hand.

Aus Kieseln, gelben, weißen, blauen,
Wie sich′s gerade fügt′ und fand,
Begannst du dir ein Hans zu bauen
Auf des Gerölles feuchtem Sand.
Vertieft in deines Werk′s Beschau
Sah ich dich wohlgefällig nicken.
Da, – nur ein Hauch, ein leises Rücken, –
Ach! und verschüttet lag der Bau.

Geduldig, ohne Zorn und Klage,
Dein liebes Herz sich drein ergab.
Jetzt tratest du zum Rosenhage
Und pflücktest ein paar Rosen ab.
Doch, kaum von ihrem Duft umwallt,
Gewahrtest du im Kelch der einen,
Mit gift′gem Bauch und Zappelbeinen,
Der Spinne schnöde Mißgestalt.

Ich sah, wie vor dem wüsten Scheuel
Ein banger Ekel dich erfaßt!
Die Rosen dünkten dich ein Gräuel,
Die Herberg′ boten solchem Gast.
Du warfst sie hin in′s grüne Moos,
Und setztest dich am Ufer nieder,
Gesenkt die zarten Augenlider,
Die Hände achtlos in dem Schooß.

Umsonst strich dir um Stirn′ und Wangen
Die Morgenluft, von Düften schwer.
Die Lust am Spiel war dir vergangen,
Dich lockte keine Rose mehr!
So saßest du in läss′ger Ruh′
Und schautest nur dem Zug der Wellen,
Dem Tanz der gaukelnden Libellen,
Mit träumerischem Blicke zu.

Durch′s Herz flog mir ein leises Beben,
Kaum weiß ich selbst, wie mir geschah,
Als ich dich, ohne Wunsch und Streben,
So still in dich versunken sah.
Ach! und noch heute steigt und schwillt,
In mir ein Strom von dunkeln Sorgen. –
Erschien an jenem Frühlingsmorgen
Vielleicht mir deiner Zukunft Bild?

IV.

»Das nenn′ ich eine Kinderzucht!
»Das wäre mir die rechte Liebe,
»Die Alles zu entschuld′gen sucht,
»Was immer auch ihr Abgott triebe!
»Wie lang noch, und das Thierchen hält
»Sich für den Mittelpunkt der Welt!«

Dein Vater sprach′s der grimme Mann!
Die Predigt war zu meinem Frommen,
Weil ich, da du in Acht und Bann,
Zu laut Partei für dich genommen.
Mir ward dabei ganz schwül und heiß, –
Ich sagte nichts und duckte leis.

Dein Mütterlein nahm′s nicht so arg,
Mild klang das Wort der Guten, Schönen!
»Das Leben ist mit Liebe karg, –
»Mag sie des Kindes Stirne krönen!
»Thut sie zu viel, das Weltgebraus
»Gleicht′s einst durch manch′ Zuwenig aus.«

Er drauf: »Ein wunderlicher Schluß!
»Weil rauhe Pfade zu beschreiten,
»Soll durch Verwöhnung man den Fuß,
»So meinst du, darauf vorbereiten!
»Wie kalt die Welt, wie ungelind,
»Fühlt doppelt das verzog′ne Kind!«

Still lächelnd blickt ich vor mich hin.
Dich zu verzieh′n, mein liebes Leben!
Hätt′ ich so Schlimmes auch im Sinn,
Nicht Zeit war′ mir dazu gegeben.
Dein Morgen- ist mein Abendroth, –
Eh′ du verzogen, bin ich todt.

V.

So wenig wie der Quell, in dessen klaren
Lichtwellen jetzt mein Angesicht zu schauen,
Wenn er als breiter Strom durchwogt die Auen
Das längst zerflossene Bild noch wird bewahren:

So wenig wird in spät′rer Jahre Treiben,
Wenn Schmerz und Freude, Seligkeit und Bangen
Wetteifernd einst den Zoll von dir verlangen,
Mein Bild in deiner Seele haften bleiben.

Es sei darum! nicht knüpfe sich dein Leben
An eines, dessen Sand, wie bald! verronnen.
Das Alter mag sich an Erinn′rung sonnen!
Der Jugend ziemt ein frisches Vorwärtsstreben.

Ich wünsche und ersehne nur das Eine:
Daß dir auf dieser liebeleeren Erde
Zum zweitenmale eine Liebe werde,
So tief, so treu, so selbstlos wie die meine.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: An Helene von Betty Paoli

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An Helene“ von Betty Paoli ist eine tiefgründige Hommage an eine junge Frau, vermutlich eine Nichte oder eine sehr nahestehende Freundin, und erforscht die Natur ihrer Beziehung sowie die Sehnsucht nach ihrem Wohlbefinden. Die Autorin betrachtet Helene als eine Quelle der Inspiration, Stärke und Trost, und das Gedicht offenbart die tiefe Zuneigung und Bewunderung der Autorin für Helene, weit über eine bloße freundschaftliche Verbindung hinaus. Es ist in fünf Teile gegliedert, wobei jeder Teil einen anderen Aspekt dieser Beziehung beleuchtet.

Der erste Teil etabliert die innige Verbindung zwischen der Autorin und Helene. Die Autorin beschwört das Bild Helenes in ihrer Erinnerung herauf, beschreibt ihre physischen Merkmale und betont ihre innere Schönheit und Klugheit. Helene wird als Licht in der Dunkelheit und als Quelle der Stärke und des Trostes dargestellt, was darauf hindeutet, dass sie einen wesentlichen Einfluss auf das Leben der Autorin hat. Der zweite Teil vertieft die emotionale Bindung, indem er die besondere Natur ihrer Beziehung hervorhebt. Obwohl kein leibliches Band besteht, fühlen sich die beiden Frauen tief miteinander verbunden, wie durch ein „Herz von meinem Herzen“. Dies deutet auf eine seelenverwandte Verbindung hin, die über die konventionellen Definitionen von Familie oder Freundschaft hinausgeht.

Der dritte Teil bietet eine visuelle Szene, in der Helene am Ufer eines Weihers mit Steinen spielt und dabei einen Bau errichtet, der dann durch einen Zufall zerstört wird. Diese Szene wird als Metapher für das Leben selbst interpretiert, in dem sowohl Freude als auch Leid untrennbar miteinander verbunden sind. Das anschließende Entdecken einer Spinne in einer Rose durch Helene und ihre Reaktion darauf symbolisieren die Konfrontation mit der Unvollkommenheit und dem Schmerz in der Welt. Der vierte Teil wirft Fragen nach der Erziehung und dem Umgang mit den Herausforderungen des Lebens auf, wobei Meinungen von Helenes Vater und Mutter gegenübergestellt werden. Die Autorin verteidigt Helene und drückt ihre bedingungslose Liebe und Unterstützung aus, indem sie die Erziehung als eine Art Fürsorge und Liebe ansieht, die letztendlich helfen kann, die Härten des Lebens zu überwinden.

Im fünften und letzten Teil spricht die Autorin über die Vergänglichkeit des Lebens und die Unvermeidlichkeit des Wandels. Sie akzeptiert, dass ihr Einfluss auf Helenes Leben im Laufe der Zeit verblassen wird, und drückt ihren Wunsch aus, dass Helene eine Liebe findet, die so tief und selbstlos ist wie die, die sie selbst ihr entgegenbringt. Das Gedicht schließt mit einem hoffnungsvollen Ausblick auf Helenes Zukunft und einer Bestätigung der Liebe und Unterstützung, die die Autorin für sie empfindet, und ist somit ein berührender Ausdruck der Zuneigung und des Wunsches nach dem Wohlergehen eines geliebten Menschen. Es ist ein tiefgründiges und zutiefst menschliches Gedicht, das die Komplexität von Liebe, Verlust und der Suche nach Glück im Leben ergründet.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.