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An einen, der vorübergeht

Von

Du hast mich an Dinge gemahnet,
Die heimlich in mir sind,
Du warst für die Saiten der Seele
Der nächtige flüsternde Wind

Und wie das rätselhafte
Das Rufen der atmenden Nacht,
Wenn draußen die Wolken gleiten
Und man aus dem Traum erwacht,

Zu blauer weicher Weite
Die enge Nähe schwillt,
Durch Zweige vor dem Monde
Ein leises Zittern quillt.

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Gedicht: An einen, der vorübergeht von Hugo von Hofmannsthal

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An einen, der vorübergeht“ von Hugo von Hofmannsthal ist eine Reflexion über die flüchtige Begegnung mit einer unbekannten Person und deren subtile, aber tiefgreifende Wirkung auf das eigene Innenleben. Es ist ein Gedicht der Erinnerung und des Nachhallens, das die Erfahrung einer zufälligen Begegnung aufgreift, die eine unerwartete Resonanz im Inneren des Sprechers auslöst.

Die ersten vier Zeilen etablieren den zentralen Gedanken: Die Begegnung mit dem Vorübergehenden hat etwas in der Seele des Sprechers berührt, Erinnerungen oder Empfindungen geweckt, die im Verborgenen schlummerten. Der Vergleich mit dem „nächtigen flüsternden Wind“ ist eine bezeichnende Metapher. Der Wind ist unsichtbar, aber spürbar, sanft, aber eindringlich. Er erinnert an die Art und Weise, wie die Anwesenheit des Fremden das Innere des Sprechers berührt hat, ohne dass dieser die genaue Ursache oder den Umfang dieser Wirkung zu erfassen vermag. Die „Saiten der Seele“ deuten auf eine Empfindlichkeit und ein musikalisches Resonanzsystem hin, das durch die Begegnung zum Schwingen gebracht wurde.

Die zweite Strophe vertieft diese Idee und vergleicht die Wirkung des Fremden mit dem „Rufen der atmenden Nacht“. Dies erzeugt eine Atmosphäre des Mysteriösen und Unfassbaren. Die „atmende Nacht“ suggeriert etwas Lebendiges, Geheimnisvolles und Unbekanntes, das aus dem Dunkeln heraus flüstert. Die Zeilen über das Aufwachen aus dem Traum legen nahe, dass die Begegnung einen ähnlichen Effekt hatte: Sie hat das Bewusstsein des Sprechers aus einem Zustand der Träumerei oder des Unbewussten in einen Zustand der Erkenntnis oder des Erwachens gebracht. Das „Rufen“ wird nicht als klares Wort, sondern als ein Gefühl, ein Impuls oder eine Erinnerung beschrieben.

Die letzten vier Zeilen beschreiben eine Veränderung in der Wahrnehmung, eine Ausweitung des Bewusstseins. Die „enge Nähe“ weicht „blauer weicher Weite“, was ein Gefühl der Befreiung und des Raumes vermittelt. Das „leise Zittern“ durch die Zweige vor dem Mond deutet auf eine subtile, aber spürbare Veränderung in der Natur selbst, die die innere Erfahrung des Sprechers widerspiegelt. Die Natur wird hier zur Projektionsfläche für die Gefühle des Sprechers, ein Zeichen der Verbundenheit von Innen- und Außenwelt. Insgesamt ist das Gedicht eine elegante Meditation über die flüchtigen Momente, die unser Leben prägen und uns unausgesprochene Wahrheiten über uns selbst offenbaren.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.