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An einem Sarge

Von

Unsel′ger du! der Dichter sich genannt,
Ohn′ daß die heil′ge Flamme ihn durchdrungen!
Für einen Traum, der trugvoll dich bezwungen
Hast du dich von der Wirklichkeit gewandt!

Das Irrlicht, dem du hoffend nachgerannt,
Zum Abgrund führte es, der dich verschlungen!
Umsonst hast du gelebt, umsonst gesungen!
Vom Loos des Dichters nur den Schmerz gekannt.

Sieh! jenen Kranz nach dem du Jahr′ um Jahre
So heiß gekämpft auf dornenvoller Bahn,
Das Mitleid legt ihn jetzt auf deine Bahre!

Fern sei′s von mir, daß ich die Spende rüge!
Doch, wie dein Streben nur ein eitler Wahn,
So folgt dir nun in′s Grab auch eine Lüge.

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Gedicht: An einem Sarge von Betty Paoli

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An einem Sarge“ von Betty Paoli ist eine bittere Abrechnung mit einem verstorbenen Dichter, der seinen selbstgewählten Anspruch nicht erfüllt hat. Der Ton ist von Trauer weit entfernt; stattdessen dominieren Verachtung und das Bedauern über ein vergebliches Leben. Paoli verwendet eine strenge Sprache, die durch direkte Ansprache und eine Reihe von negativen Bewertungen die fehlende Erfüllung des Dichters hervorhebt. Die erste Strophe etabliert das Thema des Scheiterns: Der Verstorbene hat sich zwar Dichter genannt, wurde aber nicht von der „heil′ge Flamme“ durchdrungen, also der wahren Inspiration und Leidenschaft, die einen Dichter auszeichnen sollte.

Die zweite Strophe vertieft das Urteil. Der Dichter wird als jemand dargestellt, der einem „Irrlicht“ folgte, also einer Täuschung, die ihn in den Abgrund führte. Sein Leben und sein Gesang werden als vergeblich bezeichnet, was die Sinnlosigkeit seines Schaffens unterstreicht. Paoli, ebenfalls Dichterin, scheint hier die eigene Definition des Dichtertums zu verteidigen. Sie unterstreicht, was es bedeutet, ein echter Dichter zu sein und das Leben des Verstorbenen, der nur den Schmerz des Daseins kannte, als bloßen Schein zu brandmarken. Die Verwendung des Wortes „Umsonst“ wiederholt sich, um das Gefühl der Vergeblichkeit zu verstärken.

In der dritten Strophe, dem Wendepunkt, wird auf den Kranz Bezug genommen, den der Dichter angeblich anstrebte – ein Symbol für Ruhm und Anerkennung. Nun, nach seinem Tod, wird dieser Kranz, den er durch „dornenvolle Bahn“ erreichte, aus Mitleid auf seine Bahre gelegt. Paoli distanziert sich von jeglicher Verherrlichung. Stattdessen deutet sie an, dass der Ruhm, nach dem der Dichter strebte, nun von Mitgefühl und nicht von echter Wertschätzung getragen wird.

Die letzte Strophe gipfelt in der endgültigen Verurteilung. Paoli wünscht sich zwar nicht, die Gabe zu verurteilen, aber sie betont, dass das Streben des Dichters nur ein „eitler Wahn“ war. Im Grab begleitet ihn nun auch eine „Lüge“. Dies deutet darauf hin, dass sowohl sein Leben als auch seine Kunst auf falschen Prämissen beruhten. Das Gedicht ist damit ein schonungsloses Porträt eines gescheiterten Dichterlebens und ein Kommentar über die wahre Natur des Dichtertums, das von Leidenschaft, Wahrheit und authentischem Ausdruck geprägt sein muss, um wirklich Wert zu haben.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.