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An ein schönes Kind

Von

Du blickst, um deiner Mutter Hals dich schmiegend,
Mich hold und lächelnd an, ein sel′ger Stummer;
Die Wonne schließt den Mund, ihn löst der Kummer,
Du brauchst die Sprache nicht, in Lust dich wiegend.

Doch jetzt, der Kraft des Lenzes still erliegend,
Durch Bienen eingesurrt und andre Summer,
Von Duft betäubt, fällst du in tiefen Schlummer,
Ein Rosenblatt, in einen Brunnen fliegend.

O! würdest du der Maler und der Dichter
Gewaltigster, du wirst durch all dein Ringen
Das Höchste nie, wie jetzt im Spiel, verraten,

Nie so das Schöne durch der Farbe Lichter,
Nie so das Reine durch dein frömmstes Singen,
Nie so das Menschlich-Göttliche durch Taten!

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Gedicht: An ein schönes Kind von Friedrich Hebbel

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An ein schönes Kind“ von Friedrich Hebbel ist eine Ode an die Unschuld und die Reinheit der Kindheit, die als Quelle höchster Schönheit und Harmonie gesehen wird. Das Gedicht beginnt mit der Beschreibung eines Kindes, das an der Brust der Mutter liegt und den Betrachter lächelnd anschaut. Diese Szene der Geborgenheit und des Glücks wird in den ersten vier Versen durch die Metapher der „Wonne“ und des „sel’gen Stummers“ erfasst, was die Stille und das Fehlen von Sprache als Zeichen einer vollkommenen Glückseligkeit interpretiert. Das Kind ist in seiner Unschuld noch nicht von den Komplikationen des Lebens berührt und verkörpert somit eine ideale Form des Seins.

Der zweite Teil des Gedichts führt eine Veränderung ein: Das Kind, das sich in der ersten Strophe in einem Zustand des reinen Glücks befand, wird nun dem „Kraft des Lenzes“ unterworfen. Es wird von Bienen und Sommerduft in einen tiefen Schlaf versetzt, vergleichbar mit einem „Rosenblatt, in einen Brunnen fliegend“. Diese Metapher deutet auf eine sanfte Verwandlung und den Übergang von der Unschuld zur Erfahrung hin, wobei der Schlaf als eine Art von vorübergehendem Rückzug aus der Welt gesehen werden kann. Der Hinweis auf den „Schlummer“ könnte auch ein Vorbote der Veränderungen sein, die mit dem Heranwachsen des Kindes einhergehen werden.

In den abschließenden Versen wendet sich der Dichter an das Kind mit einer doppelten Botschaft: Er preist seine natürliche Schönheit und Reinheit, die er als unerreichbar für jeden Künstler oder jede Kunstform betrachtet. Selbst der mächtigste Maler und der begabteste Dichter könnten das „Höchste“ – die Essenz des Schönen, Reinen und Menschlich-Göttlichen – nie so treffend und unmittelbar offenbaren wie das Kind in seinem gegenwärtigen Zustand des Spiels. Dies wird durch die Verwendung von negativen Formulierungen ausgedrückt („nie … verraten“, „Nie so das Schöne“, „Nie so das Reine“, „Nie so das Menschlich-Göttliche“), was die Unübertrefflichkeit des Kindes unterstreicht.

Hebbel vergleicht hier die kindliche Unschuld mit der höchsten Kunst, wobei er die Unmittelbarkeit und Echtheit der kindlichen Erfahrung als überlegen gegenüber den Mitteln der Kunst, wie Farben, Lieder oder Taten, darstellt. Die zentrale Aussage des Gedichts ist somit eine Wertschätzung der kindlichen Unschuld und ihrer Fähigkeit, das Wesen des Schönen, Reinen und Göttlichen unverfälscht zu offenbaren. Das Gedicht ist ein Plädoyer für die Bewahrung der kindlichen Unschuld und eine Mahnung, die Schönheit und Reinheit, die in der Kindheit verkörpert sind, zu schätzen.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.