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Amynt und Chloe

Von

Ich bins, o Chloe! fleuch nicht mit nacketem Fuss
Durch diese Dornen! fleuch nicht den frommen Amynt!
Hier ist dein Kranz, hier ist dein Gürtel!
Komm, bade sicher, ich störe dich nicht.

Sieh her! ich eile zurück, und bänge den Raub
An diesen Weydenbaum auf. – – Ach! stürze doch nicht!
Es folgt dir ja kein wilder Satyr,
Kein ungezähmter Cyklope dir nach. –

Dich, schlankes, flüchtiges Reh, dich hab‘ ich erhascht!
Nun widerstrebe nicht mehr! nimm Gürtel und Kranz,
Und weihe sie der strengen Göttinn,
An deren ödem Altare du dienst.

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Gedicht: Amynt und Chloe von Karl Wilhelm Ramler

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Amynt und Chloe“ von Karl Wilhelm Ramler präsentiert eine Szene, in der der Hirte Amynt versucht, die scheue Chloe zu besänftigen und zur Rückkehr zu bewegen. Die Szene atmet die Atmosphäre der Arkadien-Dichtung, in der das Leben in der Natur und die Sehnsucht nach einer einfachen, unschuldigen Existenz idealisiert werden. Amynt versucht mit sanften Worten und Geschenken – Kranz und Gürtel – Chloe von ihrer Flucht abzubringen, und versichert ihr seine friedlichen Absichten.

Die Sprache ist in ihrem Stil anmutig und klassizistisch, mit einem gehobenen Ton und einem klaren Reimschema, das die klassische Form des Gedichts unterstreicht. Die direkten Anreden an Chloe, die eindringlichen Fragen und die Beschwichtigungen erzeugen eine unmittelbare, fast intime Atmosphäre. Die verwendeten Bilder – Dornen, Gürtel, Kranz, das „schlanke, flüchtige Reh“ – tragen zur Schaffung einer pastoralen Szenerie bei, die die unberührte Schönheit der Natur und die Einfachheit des Hirtenlebens beschwört.

Die zweite Strophe verstärkt die sanfte Beschwichtigung des Amynt. Er versichert Chloe, dass keine Gefahr von ihm ausgeht, indem er sie vor eingebildeten Gefahren, wie einem Satyr oder einem Zyklopen, beschützt. Dieses Bild dient dazu, die Unschuld des Amynt zu unterstreichen und Chloe dazu zu bringen, ihm zu vertrauen. Die Erwähnung eines „Weydenbaums“ verstärkt das Bild der Naturverbundenheit und der romantischen Umgebung, in der die Szene spielt.

In der abschließenden Strophe nimmt die Dichtung eine unerwartete Wendung. Amynt hat das „schlanke, flüchtige Reh“ bereits „erhascht“. Nun fordert er Chloe auf, sich dem zu fügen und Gürtel und Kranz anzunehmen, um sie der „strengen Göttinn“ zu weihen. Diese Schlusswendung gibt dem Gedicht eine subtile, aber entscheidende Ironie. Die anfängliche Beschreibung des Amynt als sanftmütigen Hirten entpuppt sich als Fassade. Der Wunsch nach dem Ergreifen der Chloe und die Weihe an die Göttin deuten auf ein Gefühl der Erwartung, möglicherweise nach einem romantischen Ziel. Die Auflösung untergräbt das Ideal der unschuldigen Arkadien, und deutet möglicherweise auf die Vergänglichkeit und Komplexität menschlicher Beziehungen hin.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.