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Am Weihnachtsabend

Von

Aachen 1814.

Willkommen, trautes Dämmerlicht!
Willkommen, Mondenschein!
Ihr bleibt getreu, verlaßt mich nicht,
Sonst bin ich ganz allein.

»Wie magst du klagen undankbar,
Und merkst nicht was geschieht,
Und grüßest nicht das Friedensjahr,
Das heute frisch erblüht?

Es ist ja frohe Weihnachtszeit,
Engleins- und Kindleins Lust;
Verbanne Streit und Herzeleid
Nur schnell aus deiner Brust.«

Das ist es ja, das ist es ja,
Das einzig, was mich quält;
Wol denk ich, was vordem geschah
Und was mir heute fehlt.

Nicht mag ich zu dem hellen Stern,
Nicht auf zum Himmel schau′n,
Es ziehet mich in weite Fern′
Wol fort nach andern Au′n.

Zu meinem Hof, zu meinem Haus,
Zu ihr, der keine gleicht,
Die Gabe mir und Blumenstrauß
Zum Feste sonst gereicht.

O Hausfrau, schön und fromm und mild,
Die jede Tugend schmückt,
Und du, mein Muttergottesbild,
Nach dem sie sinnend blickt,

Und du, viel süßes, liebes Kind,
Das uns der Herr geschenkt,
Das, wie die Mutter still gesinnt,
Des fernen Wand′rers denkt.

Ich grüß euch, ihr geliebten Drei,
Dich grüß ich, kleine Welt,
In der mein Herz und meine Treu
Sich gar zu wohl gefällt.

Wie krank ich bin und einsam hier,
Mir träumt vom Wiedersehn,
Von unserm Haus, – da wollen wir
Noch manches Fest begehn.

Willkommen, süße Weihnachtslust,
O wunderbarer Schein!
Vom Himmel zeuch in meine Brust
Und nimm sie gänzlich ein.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Am Weihnachtsabend von Max von Schenkendorf

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Am Weihnachtsabend“ von Max von Schenkendorf ist eine tiefgründige Reflexion über Einsamkeit, Verlust und die Sehnsucht nach Geborgenheit, die im Kontrast zur fröhlichen Weihnachtsatmosphäre steht. Der Dichter, möglicherweise aufgrund äußerer Umstände von seinen Lieben getrennt, drückt seine innere Zerrissenheit zwischen der äußeren Festlichkeit und seinem persönlichen Schmerz aus. Die anfängliche Begrüßung des „trauten Dämmerlichts“ und des „Mondenscheins“ deutet auf eine Suche nach Trost und Beständigkeit in der Natur, da die äußeren Gegebenheiten die innere Leere nicht zu füllen vermögen.

Die erste Strophe offenbart die Isolation des Sprechers und seinen Wunsch nach Gesellschaft, der sich im Verlauf des Gedichts in einer intensiven Sehnsucht nach seiner Familie manifestiert. Die folgenden Strophen werden von einem inneren Monolog geprägt, in dem der Dichter mit sich selbst ringt und die Weihnachtsfreude, die andere empfinden, in Frage stellt. Der Bezug auf das „Friedensjahr“ und die „frohe Weihnachtszeit“ verstärkt den Kontrast zwischen der äußeren Feierlichkeit und der inneren Trauer des Sprechers, der sich von den allgemeinen Feierlichkeiten distanziert fühlt. Seine Gedanken schweifen ab zu seiner Familie, die er vermisst und mit der er die Weihnachtstage verbringen möchte.

Die dritte Strophe ist ein zentraler Punkt des Gedichts, in dem die Ursache für die Trauer und die Abwesenheit von Freude aufgedeckt wird: das Gedenken an Vergangenes und das Fehlen von Vertrautem. Das „was vordem geschah“ und „was mir heute fehlt“ verdeutlicht den Verlust, sei es durch Tod, Trennung oder Entfernung. Die folgenden Strophen sind von der Sehnsucht nach seiner Familie geprägt. Er wünscht sich zu seinem Haus, zu seiner Frau und seinem Kind. Die Beschreibung seiner Familie ist liebevoll und idealisierend, was die Tiefe seiner Sehnsucht noch verstärkt. Er beschreibt sie als „schön“, „fromm“ und „mild“, was sein Verlangen nach ihrer Anwesenheit unterstreicht.

Der abschließende Teil des Gedichts zeigt eine gewisse Versöhnung und eine Sehnsucht nach Trost und Frieden. Das „Wiedersehn“ und die Vorstellung, „noch manches Fest [zu] begehn“, geben Hoffnung auf zukünftige Freuden und eine mögliche Überwindung des Verlustes. Die abschließende Begrüßung der „süßen Weihnachtslust“ und der Wunsch, dass sie in seine „Brust“ eindringt, deuten auf ein wachsendes Bedürfnis nach innerer Ruhe und einem Gefühl der Verbundenheit, auch wenn die äußeren Umstände die Sehnsucht noch nicht vollständig befriedigen können. Das Gedicht ist somit eine bewegende Auseinandersetzung mit den Themen Einsamkeit, Verlust, Sehnsucht und der Hoffnung auf Trost und Wiedervereinigung an einem Tag, der eigentlich von Freude und Gemeinschaft geprägt sein sollte.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.