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Am Parnaß

Von

Noch lebst du, schöner Gott des Lichts! Ob auch
Dein letzter Tempel längst zerfallen
Und nie mehr bei der Lyderflöten Hauch
In Delphi fromme Chöre schallen:
Noh flammen Hellas′ Felshöhn dir, Apoll,
Bei jedem Frührot als Altäre,
Noch donnern bei Korinth mit Flutgeroll
Den Hymnus dir die beiden Meere.

Und wem, von höherm Drang entflammt, das Herz
Hinausstrebt aus der Zeiten Enge
Zu dir, so wie die Blume sonnenwärts,
O König ewiger Gesänge,
Das Antlitz wendet er; nach Griechenland
Führst du ihn heim in wachen Träumen
Und lässest ihm am Munde, voll zum Rand
Der Dichtung Götterbecher schäumen.

Nicht drängen Blätter sich im Wald so dicht,
Die vom Geäst der Herbstwind wehte,
Wie drunten, Trümmerschicht auf Trümmerschicht,
Verschollene Hellenenstädte;
Hinweggeschwemmt hat der Barbaren Flut
Das Volk der Griechen von der Erde;
Ein neu Geschlecht entfacht die Opferglut
Auf eines neuen Gottes Herde.

Doch wenn mein Blick vom Hange des Parnaß
Dahinschweift längs der Felsen Fuße,
Wo hier und da aus Schutt von Tempeln blaß
Aufragt ein hagres Bild der Buße,
Oft fernher hör′ ich deiner Leier Klang,
Und hell beginnt die Luft zu strahlen;
Du nahst! Ambrosisch Duften quillt beim Gang
Von deinen goldenen Sandalen.

Und fortgenommen von Gebirg und Flur
Ist der Verödung Fluch, und wieder,
Von dumpfem Alpdruck frei, schlägt die Natur
Empor die schweren Augenlider,
Und Tempeldächer blicken marmorweiß
Durch Lorbeerwipfel und Platanen,
Und durch die Zweige hin rauscht dir zum Preis
Der Schall von festlichen Päanen.

So, mag ein neuer Gotensturm Ruin
Der Welt von heute auch bereiten,
Lächelnd, in ew′ger Jugend hin durch ihn,
Gott des Gesanges, wirst du schreiten;
Wie Strahlen schon vor Morgen nach und nach
Mit Licht der Berge Haupt verklären,
Spielt um die Stirne dir der junge Tag,
Wo wieder dich die Menschen ehren.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Am Parnaß von Adolf Friedrich Graf von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Am Parnaß“ von Adolf Friedrich Graf von Schack ist eine Hommage an die griechische Antike und insbesondere an den Gott Apollo, den Gott des Lichts, der Künste und der Musik. Das Gedicht beschreibt die andauernde Präsenz Apollos und der griechischen Kultur, trotz des Verfalls der Tempel und des Untergangs des griechischen Volkes. Es ist eine Ode an die Unsterblichkeit der Kunst und der Schönheit, die über die Zeit und Zerstörung hinweg bestehen bleibt.

Die ersten beiden Strophen beschreiben die anhaltende Verehrung Apollos, trotz des Verfalls der physischen Manifestationen seiner Verehrung. Selbst wenn die Tempel zerfallen sind, so lodert das Licht des Gottes noch immer, besonders im Geist des Dichters. Die zweite Strophe unterstreicht die Sehnsucht nach der griechischen Kultur und die Anziehungskraft, die sie auf das Herz des Dichters ausübt, die durch die Metapher der Blume, die sich der Sonne zuwendet, verdeutlicht wird. Für den Dichter ist Griechenland ein Sehnsuchtsort, eine Quelle der Inspiration und ein Quell der göttlichen Dichtung, die ihm wie ein „Götterbecher“ dargereicht wird.

Die dritte und vierte Strophe befassen sich mit dem Verfall Griechenlands und der Zerstörung durch Barbaren. Die Metapher der Trümmerlandschaft und der „verschollenen Hellenenstädte“ unterstreicht das Leid der Vergangenheit. Trotz dieser Zerstörung, die im Gedicht erwähnt wird, erfährt der Dichter auf dem Parnaß, dem mythischen Berg der Musen, eine Vision der Wiedergeburt. Dort nimmt er den Klang der Leier des Apollo wahr und die Landschaft beginnt, wieder zu strahlen, als ob die Kunst der Musik die Macht besitzt, die Umgebung zu verändern und das Göttliche heraufzubeschwören.

Die letzten beiden Strophen beschreiben die Erneuerung und die Unsterblichkeit des Apollo und seiner Kunst. Der „Fluch der Verödung“ wird aufgehoben, die Natur erwacht zu neuem Leben und die Tempel erscheinen in ihrer Pracht. Die letzte Strophe drückt die Hoffnung des Dichters aus, dass Apollo, der Gott des Gesangs, trotz aller Zerstörung und des Untergangs, in ewiger Jugend durch die Zeiten schreiten und von den Menschen geehrt werden wird. Die abschließende Metapher des „jungen Tages“, der um Apollos Stirn spielt, symbolisiert die ewige Wiederkehr der Schönheit und der Kunst. Das Gedicht ist somit eine romantische Verklärung der Antike und ein Appell an die Kraft der Kunst, die über die Vergänglichkeit der Welt hinaus Bestand hat.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.