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Alter und Jugend

Von

Ihr könnt nicht uns verstehen
Und wir nicht euren Rat:
Wohlan, so laßt uns gehen
Ein jeder seinen Pfad.
Ihr legt die Stirn in Falten,
Ihr nennt euch selbst die Alten,
Die Nüchternen, die Kalten:
Und wir sind jung und wir sind frisch
Und wir sind rasch und wir sind risch,
Das kann nicht Friede halten.

Wir wollen euch nicht zürnen,
Ade, ihr alten Herrn!
Vor euren kahlen Stirnen
Beugt unser Knie sich gern.
Doch sagt, vor unsern Locken,
Vor unsers Flaumes Flocken,
Warum steht ihr erschrocken?
Auch euer Haupt war einmal braun,
Auch euer Auge konnte taun;
Nun aber ist es trocken.

Ihr habt ihn längst verloren,
Den Blick für unsre Welt,
Euch dünkt ein Spott der Toren,
Was uns die Seele schwellt.
Ihr mögt nur immer sagen,
Kopfschütteln nur und fragen,
Bedauern und beklagen:
Uns packt es an und reißt es fort,
Nun sind wir hier, nun sind wir dort,
Wir wollen einmal wagen.

Lebt wohl! – Zum letzten Male
Kreuzt unsre Bahn sich hier:
Ihr geht gemach im Tale,
Auf Klippen wandern wir.
Ruht aus in Abendgluten,
Beim Murmeln kühler Fluten,
Wie eure Väter ruhten:
Denkt nie, daß ihr einst selber so
Wart jugendfrisch und jugendfroh -!
Das Herz müßt euch ja bluten.

Du aber, Reich der Jugend,
Steig auf, du ewig jung,
Du Göttereich der Tugend
Und der Begeisterung!
Und sollten wir verderben,
Wir wollen für dich werben,
Die Zukunft soll dich erben!
Das Alter mag im Lehnstuhl ruhn:
Doch will Gott uns was Gutes tun,
So laß er jung uns sterben!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Alter und Jugend von Robert Eduard Prutz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Alter und Jugend“ von Robert Eduard Prutz ist ein leidenschaftlicher Appell an die Jugend und eine Abgrenzung zur älteren Generation. Es ist eine Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Lebensauffassungen, Erfahrungen und Prioritäten, die beide Generationen prägen. Das Gedicht ist in vier Strophen unterteilt, die jeweils die Kluft zwischen Alt und Jung aufzeigen, gefolgt von einer abschließenden Strophe, die eine Verherrlichung der Jugend und ihrer Werte darstellt.

In den ersten vier Strophen beschreibt Prutz die Unvereinbarkeit der beiden Generationen. Die Älteren, die „Alten“, werden als nüchtern, kalt und zurückhaltend dargestellt, unfähig, die Leidenschaft und den Enthusiasmus der Jugend zu verstehen. Sie stehen für Vernunft und Vorsicht, während die Jugend „frisch“, „rasch“ und „risch“ ist, voller Energie und Abenteuerlust. Die Jugend distanziert sich vom Rat der Älteren, die mit „Kopfschütteln nur und fragen, Bedauern und beklagen“. Die Metapher der unterschiedlichen Wege – die Älteren wandern „gemach im Tale“, die Jungen „auf Klippen“ – verdeutlicht die unterschiedlichen Risikobereitschaften und Lebensansätze.

Die dritte Strophe ist besonders bemerkenswert, da sie das Unverständnis der Älteren für die Begeisterung der Jugend betont. Die Älteren, so der Dichter, haben den „Blick für unsre Welt“ verloren und können die Freude der Jugend nicht nachvollziehen. Sie sehen die Welt mit anderen Augen und bewerten die Werte der Jugend als „Spott der Toren“. Dies unterstreicht die erhebliche Kluft zwischen den Generationen, die durch unterschiedliche Erfahrungen und Prioritäten entstanden ist. Die letzte Zeile der vierten Strophe, „Das Herz müßt euch ja bluten.“, ist von Sarkasmus durchzogen und zeigt das Verständnis der Jugend für die verpassten Möglichkeiten und das verblassende Leben im Alter.

Die abschließende Strophe ist eine Ode an die Jugend. Das „Reich der Jugend“ wird als „ewig jung“, als „Göttereich der Tugend und der Begeisterung“ verherrlicht. Die Jugend ist bereit, für ihre Ideale einzustehen und für die Zukunft zu kämpfen. Der Wunsch, jung zu sterben, ist nicht als Todessehnsucht zu verstehen, sondern als eine romantische Vorstellung, das Leben im vollen Saft und in der Erfüllung der eigenen Träume zu beenden. Es ist ein Aufruf, das Leben mit Leidenschaft zu leben und die Werte der Jugend zu bewahren. Die Jugend wird als die Zukunft gesehen, die das Erbe der Älteren antreten und die Welt verändern wird.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.