Allnächtlich im Traume…
Allnächtlich im Traume seh ich dich,
Und sehe dich freundlich grüßen,
Und lautaufweinend stürz ich mich
Zu deinen süßen Füßen.
Du siehst mich an wehmütiglich,
Und schüttelst das blonde Köpfchen;
Aus deinen Augen schleichen sich
Die Perlentränentröpfchen.
Du sagst mir heimlich ein leises Wort,
Und gibst mir den Strauß von Zypressen.
Ich wache auf, und der Strauß ist fort,
Und das Wort hab ich vergessen.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Allnächtlich im Traume“ von Heinrich Heine ist eine melancholische Reflexion über unerfüllte Sehnsucht und die Flüchtigkeit der Liebe. Es offenbart die schmerzliche Erfahrung des lyrischen Ichs, die geliebte Person nur in Träumen zu erleben, und die bittere Erkenntnis, dass diese traumhaften Begegnungen beim Erwachen zerfließen. Der Autor fängt mit einem klaren Bekenntnis der nächtlichen Träume an, die das lyrische Ich in eine Welt der Illusion entführen, wo eine tiefe Sehnsucht nach einer Liebe Ausdruck findet, die im realen Leben unerreichbar scheint.
Die Szene in den Träumen wird lebendig geschildert: Das lyrische Ich sieht die geliebte Person, die es freundlich grüßt, und stürzt weinend zu ihren Füßen. Dieses Bild der Verzweiflung und der demütigen Hingabe unterstreicht die Intensität der Gefühle. Der Traum selbst ist jedoch von Melancholie geprägt, da die geliebte Person traurig wirkt und Tränen vergießt. Die Geste des Kopfschüttelns deutet auf eine unerwiderte Zuneigung oder eine unglückliche Situation hin, die die Träume des lyrischen Ichs prägt. Die subtile Beschreibung der Tränen als „Perlentränentröpfchen“ verleiht dem Bild eine zarte und poetische Note, die die Tragik der Situation noch verstärkt.
Der Höhepunkt des Gedichts ist der Austausch eines leisen Wortes und die Übergabe eines Straußes von Zypressen. Die Zypresse, ein Symbol für Trauer und Tod, verstärkt die düstere Stimmung und deutet auf ein bevorstehendes Ende oder einen Verlust hin. Die Bedeutung des leisen Wortes geht beim Erwachen verloren, was die flüchtige Natur der Träume und die Vergeblichkeit der Sehnsucht hervorhebt. Das Verschwinden des Straußes zusammen mit dem vergessenen Wort symbolisiert den Verlust der Hoffnung und die Enttäuschung, die mit der Realität einhergehen.
Heine verwendet eine einfache, klare Sprache, die dennoch von emotionaler Tiefe geprägt ist. Die Reimstruktur (Kreuzreim) und der gleichmäßige Rhythmus erzeugen eine melancholische Melodie, die die Traurigkeit des Themas widerspiegelt. Durch die Konzentration auf die sinnlichen Eindrücke des Traumes – Sehen, Grüßen, Weinen, Sprechen – gelingt es Heine, die innere Zerrissenheit des lyrischen Ichs eindrucksvoll darzustellen. Das Gedicht wird zu einer Meditation über die unerfüllte Liebe, die Vergänglichkeit und die Macht der Träume, die trösten, aber auch quälen können.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.