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Affrontenburg

Von

Die Zeit verfließt, jedoch das Schloß,
Das alte Schloß mit Turm und Zinne
Und seinem blöden Menschenvolk,
Es kommt mir nimmer aus dem Sinne.

Ich sehe stets die Wetterfahn,
Die auf dem Dach sich rasselnd drehte.
Ein jeder blickte scheu hinauf,
Bevor er nur den Mund auftäte.

Wer sprechen wollt, erforschte erst
Den Wind, aus Furcht, es möchte plötzlich
Der alte Brummbär Boreas
Anschnauben ihn nicht sehr ergötzlich.

Die Klügsten freilich schwiegen ganz –
Denn ach, es gab an jenem Orte
Ein Echo, das im Wiederklatsch
Boshaft verfälschte alle Worte.

Inmitten im Schloßgarten stand
Ein sphinxgezierter Marmorbronnen,
Der immer trocken war, obgleich
Gar manche Träne dort geronnen.

Vermaledeiter Garten! Ach,
Da gab es nirgends eine Stätte,
Wo nicht mein Herz gekränket ward,
Wo nicht mein Aug geweinet hätte.

Da gabs wahrhaftig keinen Baum,
Worunter nicht Beleidigungen
Mir zugefüget worden sind
Von feinen und von groben Zungen.

Die Kröte, die im Gras gelauscht,
Hat alles mitgeteilt der Ratte,
Die ihrer Muhme Viper gleich
Erzählt, was sie vernommen hatte.

Die hats gesagt dem Schwager Frosch –
Und solcherweis erfahren konnte
Die ganze schmutzge Sippschaft stracks
Die mir erwiesenen Affronte.

Des Gartens Rosen waren schön,
Und lieblich lockten ihre Düfte;
Doch früh hinwelkend starben sie
An einem sonderbaren Gifte.

Zu Tod ist auch erkrankt seitdem
Die Nachtigall, der edle Sprosser,
Der jenen Rosen sang sein Lied; –
Ich glaub, vom selben Gift genoß er.

Vermaledeiter Garten! Ja,
Es war, als ob ein Fluch drauf laste;
Manchmal am hellen lichten Tag
Mich dort Gespensterfurcht erfaßte.

Mich grinste an der grüne Spuk,
Er schien mich grausam zu verhöhnen,
Und aus den Taxusbüschen drang
Alsbald ein Ächzen, Röcheln, Stöhnen.

Am Ende der Allee erhob
Sich die Terrasse, wo die Wellen
Der Nordsee, zu der Zeit der Flut,
Tief unten am Gestein zerschellen.

Dort schaut man weit hinaus ins Meer.
Dort stand ich oft in wilden Träumen.
Brandung war auch in meiner Brust –
Das war ein Tosen, Rasen, Schäumen –

Ein Schäumen, Rasen, Tosen wars,
Ohnmächtig gleichfalls wie die Wogen,
Die kläglich brach der harte Fels,
Wie stolz sie auch herangezogen.

Mit Neid sah ich die Schiffe ziehn
Vorüber nach beglückten Landen –
Doch mich hielt das verdammte Schloß
Gefesselt in verfluchten Banden.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Affrontenburg von Heinrich Heine

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Affrontenburg“ von Heinrich Heine ist eine düstere und melancholische Reflexion über ein beklemmendes Lebensgefühl, das durch die Metapher eines verfluchten Schlosses und Gartens ausgedrückt wird. Das lyrische Ich erlebt eine Atmosphäre der Unterdrückung, des Misstrauens und der Isolation, die von einem allgegenwärtigen Gefühl der Kränkung begleitet wird. Das Gedicht ist durchzogen von einer Atmosphäre des Misstrauens und der Bedrohung, die sich in jedem Detail des Schlosses und seines Gartens manifestiert.

Die Struktur des Gedichts verstärkt diesen Eindruck. Jede Strophe malt ein Bild des Elends, von der „Wetterfahn“, die die Angst der Bewohner widerspiegelt, bis zum „sphinxgezierten Marmorbronnen“, der trotz der vergossenen Tränen trocken bleibt. Die Verwendung von Begriffen wie „blödes Menschenvolk“, „Brummbär Boreas“, „verfälschte Worte“ und „vermaledeiter Garten“ erzeugt eine Atmosphäre des Zorns und der Verbitterung. Die Metapher des „vermaledeiten Gartens“ dient als zentrales Bild für die Quelle der Kränkungen und des Leids, die das lyrische Ich erfährt. Jedes Detail, von den beleidigenden Bäumen bis zu den giftigen Rosen, trägt zur Darstellung dieser negativen Atmosphäre bei.

Heine verwendet eine Reihe von symbolischen Elementen, um die Emotionen des lyrischen Ichs zu verstärken. Die giftigen Rosen und die erkrankte Nachtigall symbolisieren die Zerstörung von Schönheit und Unschuld. Die unheimliche Präsenz von Gespenstern und das „Ächzen, Röcheln, Stöhnen“ aus den Taxusbüschen verstärken das Gefühl der Angst und Verzweiflung. Die Terrasse am Meer, von der aus das lyrische Ich die Schiffe in glückliche Länder ziehen sieht, verstärkt das Gefühl der Gefangenschaft und der Sehnsucht nach Freiheit. Auch die Brandung in der Brust, die ohnmächtig am Felsen bricht, spiegelt die innere Zerrissenheit und das Scheitern des lyrischen Ichs wider.

Das Gedicht ist auch eine Kritik an der gesellschaftlichen Enge und den sozialen Zwängen, die das lyrische Ich gefangen halten. Die ständige Überwachung, die Klatsch und Tratsch und die allgemeine Atmosphäre des Misstrauens deuten auf eine repressive Gesellschaft hin. Die „Affronten“, die dem lyrischen Ich widerfahren, sind nicht nur persönliche Kränkungen, sondern auch Ausdruck der Ablehnung und des Ausschlusses durch die Gesellschaft. Das Gedicht kann daher als eine Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen und den damit verbundenen psychischen Belastungen verstanden werden.

Insgesamt ist „Affrontenburg“ ein kraftvolles und beklemmendes Gedicht, das die Erfahrung von Isolation, Kränkung und gesellschaftlicher Unterdrückung auf eindringliche Weise darstellt. Durch die Verwendung von bildhaften Metaphern und einer düsteren Atmosphäre gelingt es Heine, ein tiefes Gefühl der Verzweiflung und der Sehnsucht nach Freiheit zu erzeugen. Das Gedicht bleibt auch heute noch relevant, da es die menschlichen Erfahrungen von Ausgrenzung und sozialer Ungerechtigkeit thematisiert.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.