An mich
Wenn dir ein Schaden am Leibe frißt,
Jammre nicht, sondern handle;
Und wenn du glücklich gewesen bist,
Nimm dein Bett und wandle.
Ärgert dein Aug dich, so reiß es aus,
Sonst ärgert es dich an beiden;
Und keift dir ein schlimmes Weib zu Haus,
So geh und lasse dich scheiden.
Und wird dir das Beten und Fasten zu dumm,
Richte, schlichte, verzichte;
Und haranguiere das Publikum
Nicht erst durch Weltschmerzgedichte.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „An mich“ von Frank Wedekind ist eine prägnante Anweisung an das eigene Selbst, ein Appell zur Selbstermächtigung und zur aktiven Gestaltung des eigenen Lebens, frei von Selbstmitleid und passiver Ergebung. Es ist ein Aufruf, Probleme direkt anzugehen, Unglück zu vermeiden und sich von belastenden Situationen zu befreien.
Die ersten beiden Strophen konzentrieren sich auf konkrete Beispiele, wie man mit körperlichen Leiden, unglücklichen Beziehungen und störenden Einflüssen umgehen soll. Der erste Vers, „Wenn dir ein Schaden am Leibe frißt, / Jammre nicht, sondern handle,“ gibt den Ton an: Handeln statt Jammern. Die folgenden Verse bieten praktische Ratschläge: Wenn etwas stört, muss es entfernt werden. Die drastische Natur der Anweisungen – „Ärgert dein Aug dich, so reiß es aus“ – unterstreicht die Dringlichkeit und die Notwendigkeit radikaler Lösungen, um das eigene Wohlbefinden zu schützen. Die Aufforderung zur Scheidung bei einer unglücklichen Ehe ist ebenso direkt.
Die dritte Strophe erweitert den Fokus von den direkten Problemen auf spirituelle und künstlerische Aspekte. „Und wird dir das Beten und Fasten zu dumm, / Richte, schlichte, verzichte“ deutet auf eine Abkehr von traditionellen Praktiken hin, die als sinnlos empfunden werden. Der letzte Vers, „Und haranguiere das Publikum / Nicht erst durch Weltschmerzgedichte“, ist eine Kritik an einer selbstmitleidigen, klagenden Kunst. Wedekind fordert dazu auf, von schwermütigen Selbstbetrachtungen Abstand zu nehmen und stattdessen aktiv zu handeln, anstatt sein Leid öffentlich zur Schau zu stellen.
Das Gedicht zeichnet sich durch eine klare, direkte Sprache und einen unkonventionellen, fast schon zynischen Ton aus. Wedekind verwendet einfache Reime und eine knappe Formulierung, um seine Botschaft wirkungsvoll zu vermitteln. Es ist eine Abkehr von sentimentaler Lyrik, ein Bekenntnis zu Pragmatismus und Selbstbestimmung. Die scheinbar radikalen Ratschläge sind letztlich ein Aufruf zur Selbstverantwortung und zur Gestaltung eines Lebens, das von innerer Stärke und Entscheidungsfreude geprägt ist, anstatt von Leid und Selbstmitleid.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.