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Moostee

Von

Sechzehn Jahr’ – und wie ein greiser
Alter sitz ich, matt und krank;
Sieh, da senden mir der Geiser
Und der Hekla diesen Trank.

Auf der Insel, die von Schlacken
Harter Lava und von Eise
Starrt, und den beschneiten Nacken
Zeigt des arkt’schen Poles Kreise;

Über unterird’schen Feuern,
In nordlichterhellten Nächten,
Bei den Glut- und Wasserspeiern
Wuchsen diese bittern Flechten.

Aus den dampfumrollten Kegeln,
Aus der Berge schwarzem Tiegel,
Gleich blutroten Sagenvögeln –
Flammenzungen ihre Flügel –

Sahn sie feurig auf zum schwarzen
Himmel mächt’ge Steine sprühen,
Und ein Meer von heißen Harzen
Durch das Schneegefilde ziehen.

Von den Jökuln zu den Fjorden
Durch das dän’sche Inselland,
Breit, ein riesiger Dan’brogorden,
Schlängelt sich das Flammenband.

Wolken, Rauch und Asche wallen,
Und am Strand die Robben winseln,
Und die roten Steine fallen
Nieder auf entfernten Inseln;

Die zerrißnen Berge zittern,
Und das Eismeer schäumt und braut –
Dorten wuchsen diese bittern
Flechten, wuchs dies herbe Kraut. –

Daß die kranke Brust gesunde,
Und sich freue neuer Kraft,
Biet ich träumerisch dem Munde
Ihren dunkelgrünen Saft.

Feuer zuckt durch meine Nerven,
Vor mir liegt das wüste Land;
Die weitoffnen Krater werfen
Himmelan den flüss’gen Brand.

Kühner fühl ich mich und stärker
Bei dem Lodern dieser Glut,
Und die Wildheit der Berserker
Tobt durch mein genesend Blut.

Lavaschein und Nordlicht röten
Mein Gesicht; die Pulse schlagen
Schneller; Edda, laß mich treten
Vor die Helden deiner Sagen!

Ha! wenn dieser Insel Pflanzen
Mir den Lebensbecher reichen,
Mög’ ich dann in meinem ganzen
Leben dieser Insel gleichen!

Feuer lodre, Feuer zucke
Durch mich hin mit wildem Kochen;
Selbst der Schnee, in dessen Schmucke
Einst mein Haupt prangt, sei durchbrochen

Von der Flamme, die von innen
Mich verzehrt: wie rot und heiß
Hekla Steine von den Zinnen
Wirft nach der Faaröer Eis:

So aus meinem Haupt, ihr Kerzen
Wilder Lieder, sprühn und wallen
Sollt ihr, und in fernen Herzen
Siedend, zischend niederfallen!

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Gedicht: Moostee von Ferdinand Freiligrath

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Moostee“ von Ferdinand Freiligrath ist eine kraftvolle Ode an die vulkanische Landschaft Islands und eine Metapher für die Wiederentdeckung von Energie und Lebensfreude. Es beschreibt die Wirkung eines aus isländischen Flechten zubereiteten Tees, der den Sprecher, der sich zuvor „matt und krank“ fühlte, zu neuem Leben erweckt. Die Zeilen sind voller Bilder von Feuer, Eis, Vulkanen und nordischer Mythologie, die eine tiefgreifende Transformation des Sprechers symbolisieren.

Die ersten Strophen des Gedichts etablieren die raue und unwirtliche Umgebung, aus der die Flechten stammen. Freiligrath beschreibt die isländische Landschaft mit starken Bildern von Lava, Eis und unterirdischen Feuern. Der „Moostee“ selbst wird als ein Produkt dieser extremen Bedingungen dargestellt, gewachsen unter den „Glut- und Wasserspeiern“ und gespeist vom „Feuer“, das aus den Vulkanen hervorquellt. Diese Beschreibungen dienen dazu, die Quelle der erweckenden Kraft des Tees zu betonen und die Verbindung des Sprechers mit der wilden, ungezähmten Natur Islands zu verdeutlichen.

Die Wirkung des Tees auf den Sprecher wird in den folgenden Strophen lebendig geschildert. Er spürt, wie „Feuer zuckt durch meine Nerven“ und die „Wildheit der Berserker“ durch sein „genesend Blut“ tobt. Die Metapher des Feuers wird hier zur zentralen Metapher für die wiedergefundene Stärke, die Leidenschaft und die schöpferische Kraft, die durch den Tee ausgelöst werden. Der Sprecher sehnt sich danach, dem „wüste Land“ zu gleichen, die innere Flamme soll ihn verzehren, wie die Lava die Landschaft formt.

Das Gedicht gipfelt in einem ekstatischen Ausruf nach einer Identifikation mit der isländischen Landschaft, die durch das Feuer und die Wärme des Tees ermöglicht wird. Der Sprecher wünscht sich, in seinem ganzen Leben der Insel zu gleichen. Die Metapher wird hier weiter verstärkt, indem er die Vision von Liedern als „Kerzen“ entwirft, die aus seinem Haupt „sprühn und wallen“ sollen, und die Welt mit neuen Ideen und Kreativität erfüllen, in Anlehnung an die zerstörerische und schöpferische Kraft des Vulkans. Die letzte Strophe des Gedichts ist somit nicht nur ein Bekenntnis zur Energie, sondern auch ein Aufruf an die Kunst, der die Transformation des Sprechers in eine Quelle der Inspiration für andere widerspiegelt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.