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An Hoffmann von Fallersleben

Von

Jetzo, wo die Nachtigall
Schlägt mit mächt’gen Schlägen;
Wo der Rhein mit vollem Schall
Braust auf seinen Wegen;
Wo die Dampfer wieder ziehn;
Wo die grünen Reben,
Wo die Blumen wieder blühn –
Jetzt auf einmal eben

Denk ich wieder, wie im Traum,
Jener Nacht im „Riesen“
Wo wir den Champagnerschaum
Von den Gläsern bliesen;
Wo wir leerten Glas auf Glas,
Bis ich alles wußte,
Bis ich deinen ganzen Haß
Schweigend ehren mußte.

Düster mit verkohltem Docht
Flackerten die Kerzen;
Düster und von Zorn durchpocht,
Brannten unsre Herzen;
Dennoch oft, gleich wie ein Blitz,
Finstrer Wolk entquollen,
Brach ein Lachen, brach ein Witz
Hell durch unser Grollen.

Also ward es rasch zwei Uhr!
Trocken die Pokale,
Und der jüngste Kellner nur
Harrte noch im Saale!
Schnarchend lag der kleine Nlann
In des Sessels Hafen,
Und wir sagten: ,,Der Géant,
Wahrlich, ist entschlafen!“

Endlich stand der Junge wach,
Nahm das Licht verdrossen;
Wirr aus seinem Schlafgemach
Kam ein Lord geschossen;
Du doch stiegst die Trepp hinauf,
Derb und nageischuhig;
Schriebst noch in mein Stammbuch drauf:
„Kobelenz ist ruhig!“-

Wieder hat seit jener Nacht
Herbes dich betroffen!
Strom und Frühling sind erwacht –
Hoffmann, wolle hoffen!
Hoff und laß der Marken Sand!
Mach dich auf die Beine!
Deutscher Männer deutsche Hand
Wartet dein am Rheine!

Was, ob die gelehrte Spree
Feig sich von dir wandte:
In die Rheinflut senk dein Weh –
Sie nicht bannt Verbannte!
Neue Freunde warten dein
An der rebumwallten –
Auf drum, und vergiß am Rhein
Schnödigkeit der alten!

Drum, wo mit der Rede Stahl
Badens Männer streiten;
Drum auch, wo im Wiesental
Lieder dich umläuten;
Wo die Düssel flutet hell
Und in Dresels Keller
Schlag ein Schnippchen dem Gebell
Deiner Widerbeller!

Ich auch, der ich jene Nacht
Finster mit dir zechte,
Ich auch, eben vor der Schlacht,
Biete dir die Rechte!
Ja, auch ich steh kampfbereit,
Gleich sind unsre Zeichen –
Mit Bewußtsein wag ich’s heut,
Dir die Hand zu reichen!

Herz’ger noch als dazumal,
Wag ich’s, einzuschlagen:
Schiefer Stellung volle Qual
Mußt ich damals tragen!
Noch nicht recht aus ganzem Holz
Schien auch dir mein Leben –
Drum auch war ich noch zu stolz,
Mich dir ganz zu geben!

Alles das ist nun vorbei!
Frei ward Lipp und Zunge,
Frei das Auge mir und frei
Dehnt sich Herz und Lunge!
Vom Gedanken bis zur Tat
Schlug ich dreist die Brücke;
Hüben steh ich, und kein Pfad
Führt mich je zurücke!

Vorwärts denn – bis übers Grab!
Vorwärts – ohne Wanken!
Jede Rücksicht werf ich ab,
Satt hinfort der Schranken!
Nur das Kühnste bind ich an
Meinen Simsonsfüchsen –
Mit Kanonen auf den Plan,
Nicht mit Schlüsselbüchsen!

Sieh, so biet ich dir die Hand,
Einer auch von denen,
Die sich an des Rheines Strand
Dir entgegensehnen!
Die ins dornige Exil
Gern dir Rosen flöchten,
Gern ein friedlich Rheinasyl
Dir bereiten möchten!

Komm darum und glaub an mich –
Aber komm in Eile!
Komm, solang ich festiglich
Noch am Rheinstrom weile!
Eh ich selber meinen Herd
Seh zum Teufel stieben;
Eh der eignen Lieder Schwert
Westwärts mich getrieben!

Horch, O horch, die Nachtigall
Schlägt mit mächt’gen Schlägen,
Und der Rhein mit vollerm Schall
Braust auf seinen Wegen!
Alles keimt und alles gärt,
Alles windet Kränze –
Auch den herbsten Kelch geleert
Auf der Zukunft Lenze!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: An Hoffmann von Fallersleben von Ferdinand Freiligrath

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An Hoffmann von Fallersleben“ von Ferdinand Freiligrath ist eine leidenschaftliche Anklage und ein Aufruf zur Versöhnung und zum Kampf, der an den Dichter Hoffmann von Fallersleben gerichtet ist. Es ist ein Bekenntnis zur Freundschaft und ein Appell für die Einheit der deutschen Nation, untermalt von einer lebendigen Beschreibung der Natur und den politischen Verhältnissen der Zeit.

Das Gedicht beginnt mit einer Beschreibung der Natur, die die Aufbruchsstimmung des Frühlings widerspiegelt. Die Nachtigall, der Rhein und die blühenden Blumen symbolisieren das Erwachen des Lebens und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Diese Naturbilder dienen als Kulisse für die Erinnerung an eine vergangene Nacht, in der der Autor mit Hoffmann von Fallersleben im „Riesen“ in Koblenz zechte und politische Gespräche führte. Die düstere Atmosphäre dieser Nacht, mit ihren verkohlten Kerzen und den hitzigen Debatten, kontrastiert mit der erhofften Aufbruchsstimmung des Frühlings. Die gemeinsame Vergangenheit, die durch das Trinken und die tiefgründigen Gespräche symbolisiert wird, schafft eine Verbindung zwischen den beiden Dichtern, die im weiteren Verlauf des Gedichts vertieft wird.

Der Kern des Gedichts ist der Aufruf an Hoffmann von Fallersleben, sich von der Enttäuschung und dem Exil zu lösen und in die Heimat, an den Rhein, zurückzukehren. Freiligrath ermutigt seinen Freund, die Hoffnung nicht aufzugeben und sich aktiv am politischen Geschehen zu beteiligen. Er beschreibt die wartenden Freunde und die kämpferische Stimmung, die in verschiedenen Regionen Deutschlands herrscht. Die Metaphern von „Stahl der Rede“ und dem Kampf, der vorbereitet wird, zeigen die politische Brisanz der Zeit und die Bereitschaft, für die Freiheit einzutreten. Freiligrath bietet Hoffmann von Fallersleben seine Freundschaft und seinen Kampfeswillen an, indem er ihm die Hand zur Versöhnung reicht.

Die letzten Strophen des Gedichts verstärken den Appell zur Eile und zum Handeln. Freiligrath betont seine eigene Wandlung und seinen Entschluss, für die politischen Ideale einzustehen, und ruft Hoffmann dazu auf, sich ihm anzuschließen. Die Bilder vom Aufbruch, vom Sturm und vom Überwinden von Hindernissen unterstreichen die Dringlichkeit der Situation. Die abschließenden Verse greifen das Eingangs-Motiv der Natur wieder auf, verstärken die Hoffnung auf eine bessere Zukunft und verbinden sie mit der Sehnsucht nach Einheit und Freiheit. Die kraftvolle Sprache, die Wiederholungen und die rhetorischen Fragen des Gedichts erzeugen eine beeindruckende Wirkung und verdeutlichen die tiefe Verbundenheit der beiden Dichter und ihren gemeinsamen politischen Willen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.