Nun sind vor meines Glückes Stimme
 alle Sehnsuchtsvögel weggeflogen.
 Ich schaue still den Wolken zu,
 die über meinem Fenster in die Bläue jagen –
 Sie locken nicht mehr,
 mich zu fernen Küsten fortzutragen,
 Wie einst, da Sterne, Wind und Sonne
 wehrlos mich ins Weite zogen.
 In deine Liebe bin ich
 wie in einen Mantel eingeschlagen.
 Ich fühle deines Herzens Schlag,
 der über meinem Herzen zuckt.
 Ich steige selig
 in die Kammer meines Glückes nieder,
 Ganz tief in mir, so wie ein Vogel,
 der ins flaumige Gefieder
 Zu sommerdunklem Traum
 das Köpfchen niederduckt.
Glück
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Glück“ von Ernst Stadler beschreibt in ergreifenden Bildern einen Zustand tiefen Glücks und innerer Geborgenheit, der sich von früheren Sehnsüchten und der Rastlosigkeit des Lebens abgrenzt. Der Sprecher hat eine innere Ruhe gefunden, die durch die Liebe zu einer anderen Person bedingt ist. Die einleitenden Verse lassen erahnen, dass die quälenden Sehnsüchte, die ihn einst antrieben, nun verstummt sind und durch ein Gefühl der Zufriedenheit ersetzt wurden.
Die Metaphern, die Stadler verwendet, um dieses Glück zu beschreiben, sind von großer Lebendigkeit und Natürlichkeit. Das Verschwinden der „Sehnsuchtsvögel“ symbolisiert das Ende einer Zeit der Unruhe und des Wanderns. Die Wolken, die nun betrachtet werden, locken nicht mehr in die Ferne, sondern werden zu einem stillen Zeugen der inneren Einkehr. Der Vergleich mit dem Mantel, der den Sprecher in der Liebe „einschlägt“, verdeutlicht das Gefühl von Schutz und Geborgenheit.
Das zentrale Bild des Gedichts ist jedoch das des „Herzensschlags“, der mit dem des geliebten Menschen verschmilzt. Diese physische Verbindung drückt eine tiefe emotionale Verbundenheit aus, die das Glück des Sprechers begründet. Die abschließende Strophe mit dem Bild des Vogels, der sich in sein Gefieder zurückzieht, verstärkt das Gefühl des Rückzugs in eine innere, geschützte Welt. Hier findet der Sprecher Ruhe und Geborgenheit, weit entfernt von den Stürmen des äußeren Lebens.
Insgesamt ist „Glück“ ein sehr persönliches Gedicht, das die Transformation von Rastlosigkeit zu innerem Frieden durch die Liebe thematisiert. Stadler gelingt es, mit einfachen, aber kraftvollen Bildern ein Gefühl von tiefem Glück und Geborgenheit einzufangen und dem Leser zu vermitteln. Die Abwesenheit jeglicher äußeren Aktivität und die Konzentration auf das Innenleben des Sprechers unterstreichen die stille Intensität dieses Zustands.
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Lizenz und Verwendung
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