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Der junge Mönch

Von

Vermaßt ihr euch zu lieben, die ihr sündhaft nur begehrt,
Mit Tat und Willen trüb die Reine eurer Träume schändet?
O lernet tiefre Wollust: wartend stehn und unbewehrt,
Bis heilige Fracht die Welle euern Ufern landet.

Ihr glüht und ringt. Ich fühle euer Herz von Sturm und Gier bewegt.
Euch girren tausend Stimmen hell ins Ohr, die euer Blut verführen –
Ich bin ein Halm, den meines Gottes Odem regt,
Ich bin ein Saitenspiel, das meines Gottes Finger rühren.

Ich bin ein durstig aufgerissen Ackerland.
In meiner nackten Scholle kreißt die Frucht. Der Regen
Geht drüber hin, Schauer des Frühlings, Sturm und Sonnenbrand,
Und unaufhaltsam reift ihr Schoß dem Licht entgegen.

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Gedicht: Der junge Mönch von Ernst Stadler

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der junge Mönch“ von Ernst Stadler ist eine tiefgründige Auseinandersetzung mit dem Thema der Askese, der Begierde und der spirituellen Hingabe. Es spricht das Spannungsfeld zwischen fleischlichen Verlangen und dem Streben nach einer höheren, göttlichen Erfüllung an. Der junge Mönch nimmt eine distanzierte, belehrende Haltung gegenüber denen ein, die sich von sündhaften Begierden leiten lassen. Er stellt die Frage nach der wahren Natur der Liebe und zeigt eine alternative Sichtweise auf, die in der geduldigen Erwartung und der Hingabe an das Göttliche ihre Erfüllung findet.

Die ersten beiden Strophen des Gedichts kennzeichnen die zentrale Thematik. Die ersten Zeilen richten sich direkt an die „ihr“, die von Begierde getrieben sind und ihre Ideale mit „Tat und Willen“ schänden. Der Mönch kontrastiert dazu seine eigene Haltung, indem er eine „tiefre Wollust“ durch „wartendes Stehen“ und die Erwartung des göttlichen Einflusses propagiert. Die zweite Strophe vertieft diesen Kontrast: Er erkennt die innere Unruhe und das Begehren der anderen, während er sich selbst als ein Instrument Gottes sieht – als „Halm“, der vom Atem Gottes bewegt wird, und als „Saitenspiel“, das von dessen Fingern berührt wird. Diese Metaphern unterstreichen seine Unterwerfung unter den göttlichen Willen und seine Abkehr von weltlichen Begierden.

Die dritte Strophe nimmt eine bildhafte, fast naturreligiöse Wendung. Der Mönch vergleicht sich mit einem „durstig aufgerissenen Ackerland“, das auf die göttliche Gnade wartet, dargestellt durch den Regen, den „Schauer des Frühlings“ und den „Sonnenbrand“. Hier wird die Sehnsucht nach spiritueller Erfüllung durch die Metapher der Fruchtbarkeit ausgedrückt, die sich unaufhaltsam dem Licht entgegen entwickelt. Diese bildhafte Sprache symbolisiert das Wachsen der Seele in der Auseinandersetzung mit den Elementen, die sowohl zerstörerisch als auch nährend sein können.

Insgesamt ist das Gedicht eine Reflexion über die innere Zerrissenheit des Menschen zwischen weltlichen Verlangen und spiritueller Sehnsucht. Stadler verurteilt nicht die Begierde, sondern stellt eine alternative, kontemplative Lebensweise dar, in der die Erfüllung nicht durch kurzfristige Genüsse, sondern durch die Hingabe an das Göttliche erreicht wird. Die Strophen bilden einen Kontrast zwischen der Rastlosigkeit der weltlichen Menschen und der inneren Ruhe des Mönchs, der in seinem Glauben die wahre Quelle der Erfüllung findet.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.