Feiertage, Gegenwart, Götter, Heimat & Identität, Heldenmut, Himmel & Wolken, Krieg, Kriegsgeschichte, Länder, Legenden, Sommer, Unschuld
Der Botenlauf
Blicke gen Himmel gewandt, gebreitete flehende Arme!
Murmeln und schallender Ruf kniender Mädchen und Fraun
„Götter, beflügelt den Boten! Entscheidung lieber als Bangnis!
Seit sich die Sonne erhob, ringen die Stadt und Tarquin.
Siehe, die Sonne versinkt! Mitkämpfer, Kastor und Pollux,
Denkt der verlassenen Fraun, sendet den Boten geschwind!“
Horch! Achthufig Geklirr bergan. Zwei befreundete Reiter!
Schon am heiligen Quell spülen die Waffen sie rein.
Dann, zwei gewaltige Jünglinge, stehn auf der ragenden Burg sie,
Gegen die schauernden Fraun hat sich der eine gekehrt:
„Freude, knospendes Mädchen! Entschlossene Römerin,
Freude! Herrlicher Sieg ist erkämpft! Geht ihr entgegen dem Heer?“
Einer sprichts, und der andere lauscht, zu dem Bruder gewendet.
Jetzt in das bleichende Licht springen die Rosse empor.
Einer der Jünglinge schwindet im Abend, es schwindet der andre,
Denn wie ein liebendes Paar lassen die Brüder sich nicht.
Über der römischen Feste gewaltigem, dunkelndem Umriss
Hebt sich in dämmernder Nacht seliges Doppelgestirn.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Der Botenlauf“ von Conrad Ferdinand Meyer erzählt von einer Zeit der Unsicherheit und der Hoffnung, in der Frauen in einer belagerten Stadt auf die Rückkehr von Boten warten, die eine wichtige Entscheidung über den Ausgang eines Krieges überbringen sollen. Das Gedicht ist geprägt von der Dringlichkeit der Situation und der intensiven emotionalen Beteiligung der wartenden Frauen, die sich an die Götter wenden, um Hilfe und eine rasche Entscheidung zu erbitten. Die beschriebene Szene, in der Frauen beten und die Sonne untergeht, erzeugt eine Atmosphäre der Spannung und des Wartens, die durch die bildhafte Sprache des Dichters noch verstärkt wird.
Der zweite Teil des Gedichts beschreibt die Ankunft der Boten – zwei Reiter, die offenbar die ersehnte Botschaft überbringen. Die Beschreibung der Reiter ist von einer gewissen Erhabenheit geprägt, die durch die Erwähnung von Kastor und Pollux, den mythologischen Brüdern, noch verstärkt wird. Die Reaktion der Frauen auf die Botschaft und die anschließende Darstellung der Reiter, die als „seliges Doppelgestirn“ in der Nacht verschwinden, verdeutlichen die Bedeutung der Nachricht und die Einheit der Brüder. Die Botschaft ist von großer Freude und triumphierendem Sieg geprägt, was das lange Warten und die Angst der Frauen rechtfertigt.
Die zentrale Aussage des Gedichts liegt in der Feier des Sieges und der Einheit der Brüder, die als ein strahlendes Doppelgestirn den Triumph der Stadt und die Freude der Frauen in den Nachthimmel tragen. Die Metaphorik des Doppelgestirns, das sich über der Stadt erhebt, symbolisiert nicht nur den Sieg, sondern auch die brüderliche Verbundenheit, die im Angesicht des Krieges Bestand hat. Meyer verbindet in diesem Gedicht historische Elemente mit mythologischen Anspielungen, um die emotionale Wirkung der Geschichte zu verstärken.
Die Verwendung von rhetorischen Fragen und Ausrufen in der Rede der Reiter verstärkt die Dramatik und die Freude über den Sieg. Die Bildsprache, insbesondere die Beschreibung des Sonnenuntergangs und der Dunkelheit, unterstreicht die Bedeutung des Augenblicks und die Hoffnung, die mit dem Sieg verbunden ist. Die Gedichtform, die aus kurzen, prägnanten Versen besteht, trägt dazu bei, die Spannung aufzubauen und die Botschaft des Gedichts eindringlich zu vermitteln.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.