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Beständige Erinnerung des Todes

Von

Was sorgst du ängstlich für dein Leben?
Es Gott gelassen übergeben,
Ist wahre Ruh und deine Pflicht.
Du sollst es lieben, weislich nützen,
Es dankbar, als ein Glück, besitzen,
Verlieren, als verlörst du′s nicht.

Der Tod soll dich nicht traurig schrecken:
Doch dich zur Weisheit zu erwecken,
Soll er dir stets vor Augen sein.
Er soll den Wunsch zu leben mindern,
Doch dich in deiner Pflicht nicht hindern,
Vielmehr dir Kraft dazu verleihn.

Ermattest du in deinen Pflichten:
So laß den Tod dich unterrichten,
Wie wenig deiner Tage sind.
Sprich: Sollt ich Gutes wohl verschieben?
Nein, meine Zeit, es auszuüben,
Ist kurz, und sie verfliegt geschwind.

Denk an den Tod, wenn böse Triebe,
Wenn Lust der Welt und ihre Liebe
Dich reizen; und ersticke sie.
Sprich: Kann ich nicht noch heute sterben?
Und könnt ich auch die Welt erwerben,
Beging ich doch solch Übel nie.

Denk an den Tod, wenn Ruhm und Ehren,
Wenn deine Schätze sich vermehren,
Daß du sie nicht zu heftig liebst.
Denk an die Eitelkeit der Erden,
Daß, wenn sie dir entrissen werden,
Du dann dich nicht zu sehr betrübst.

Denk an den Tod bei frohen Tagen.
Kann deine Lust sein Bild vertragen:
So ist sie gut und unschuldsvoll.
Sprich, dein Vergnügen zu versüßen:
Welch Glück werd ich erst dort genießen,
Wo ich unendlich leben soll!

Denk an den Tod, wenn deinem Leben
Das fehlt, wonach die Reichen streben;
Sprich: Bin ich hier, um reich zu sein?
Heil mir! wenn ich in Christo sterbe,
Dann ist ein unbeflecktes Erbe,
Dann ist der Himmel Reichtum mein.

Denk an den Tod, wenn Leiden kommen;
Sprich: Alle Trübsal eines Frommen
Ist zeitlich, und im Glauben leicht.
Ich leide; doch von allem Bösen
Wird mich der Tod bald, bald erlösen;
Er ist′s, der mir die Krone reicht.

Denk an den Tod, wenn freche Rotten
Des Glaubens und der Tugend spotten,
Und Laster stolz ihr Haupt erhöhn.
Sprich bei dir selbst: Gott trägt die Frechen;
Doch endlich kömmt er, sich zu rächen,
Und plötzlich werden sie vergehn.

Denk an den Tod zur Zeit der Schrecken,
Wenn Pfeile Gottes in dir stecken;
Du rufst, und er antwortet nicht.
Sprich: Sollte Gott mich ewig hassen?
Er wird mich sterbend nicht verlassen;
Dann zeigt er mir sein Angesicht.

So suche dir in allen Fällen
Den Tod oft, lebhaft, vorzustellen;
So wirst du ihn nicht zitternd scheun;
So wird er dir ein Trost in Klagen,
Ein weiser Freund in guten Tagen,
Ein Schild in der Versuchung sein.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Beständige Erinnerung des Todes von Christian Fürchtegott Gellert

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Beständige Erinnerung des Todes“ von Christian Fürchtegott Gellert ist eine tiefgründige Betrachtung über die Rolle des Todes im menschlichen Leben. Es ist kein düsteres Totenlied, sondern eine Anleitung, wie man den Tod als Lehrmeister und Wegweiser in allen Lebenslagen nutzen kann. Der Autor appelliert an den Leser, den Tod nicht als etwas zu fürchtendes zu betrachten, sondern ihn in sein tägliches Denken zu integrieren, um ein erfüllteres und tugendhafteres Leben zu führen.

Gellert unterteilt das Gedicht in verschiedene Situationen, in denen die bewusste Auseinandersetzung mit dem Tod als hilfreich erachtet wird. Er betont, dass der Gedanke an den Tod in Momenten der Sorge, der Versuchung durch weltliche Freuden, des Leidens, des Spottes und der eigenen Zweifel stets eine Quelle der Orientierung und des Trostes sein kann. Indem man sich regelmäßig den Tod vor Augen führt, kann man sich von übermäßigem Streben nach Reichtum, Ruhm und weltlichen Genüssen lösen und sich stattdessen auf die wichtigen Dinge konzentrieren: Tugend, Glauben und ein gottgefälliges Leben.

Die Verse sind von einer christlichen Ethik geprägt, die den Tod als Übergang in ein ewiges Leben in Gottes Gegenwart interpretiert. Dies wird besonders in den Strophen deutlich, die sich mit dem Glauben und der Hoffnung auf ein jenseitiges Glück befassen. Der Tod wird hier nicht als Ende, sondern als ein Neubeginn, als Erlösung von irdischem Leid und als Eintritt in ein Reich des ewigen Friedens und der Freude gesehen. Die ständige Erinnerung an den Tod soll den Gläubigen in seinen Handlungen leiten und ihn dazu anspornen, ein Leben zu führen, das Gott wohlgefällig ist.

Gellerts Sprache ist einfach, klar und für die damalige Zeit typisch. Die Reime und die klare Struktur erleichtern das Verständnis und die Merkfähigkeit der Botschaft. Das Gedicht ist eine Aufforderung zur Selbstreflexion und zur Auseinandersetzung mit den eigenen Werten und Zielen im Leben. Es erinnert den Leser daran, die Vergänglichkeit des irdischen Lebens zu akzeptieren und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Beständige Erinnerung des Todes“ ein erbauliches Gedicht ist, das nicht nur die Angst vor dem Tod mildern, sondern auch zu einem bewussteren und tugendhafteren Leben anregen möchte. Der Tod wird hier als ein ständiger Begleiter betrachtet, der in allen Lebenslagen als Lehrer, Freund und Trostspender dienen kann, wenn man sich ihm bewusst zuwendet und seine Lehren annimmt. Die zentrale Botschaft ist die Hoffnung auf ein ewiges Leben im Einklang mit dem christlichen Glauben.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.