Das bist du
Wenn mit Dunkel und mit Schweigen
Mutter Nacht dein Bett umhüllt,
Lausche, wie mein Zaubergeigen
Heimlich dir die Kammer füllt.
Lausche, wie dich Wunderglocken
Fromm zur heilgen Tiefe locken.
In der Tiefe wohnt die Ruh,
Und die Tiefe/ das bist du.
Frieden ihm, so dir zur Seiten
Atmend ruht; er ist dein Schild.
Frieden allen Erdenbreiten,
Jedem Gottesebenbild!
Gib den Hütten dein Erbarmen
Und dem Glück ein froh Umarmen.
Ohne Güte keine Ruh.
Jedes Antlitz/ das bist du.
Engel, heitre Lichtgestalten,
Steigen aus dem dunkeln Land
Und in deine Hände falten
Kosend sie die Kinderhand.
Sieh doch, deine toten Lieben
Sind dir alle treu geblieben;
Mutterherz heißt ihre Ruh.
Deine Kinder/ das bist du.
Spürst du auch, wie auf dein Grüßen
Harrt ein treuer Paladin?
Aus der Ferne dir zu Füßen
Kann ihn deine Sehnsucht ziehn.
Gib dein Auge seinem Auge;
Eins im andern sauge, sauge
Heimatswonne, Heimatsruh.
Du bist ich, und ich bin du.
Horch, mein Lieb, die Zaubergeigen
Singen Hochzeitsmelodein,
Und der bunte Sternenreigen
Stimmt und funkelt üppig drein.
Welten schwärmen dort bei Welten,
Wiegen sich in blauen Zelten,
Summen uns in selge Ruh …
Ich bin Stern, und Stern bist du.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Das bist du“ von Bruno Wille ist eine tiefgründige Liebeserklärung, die über die bloße Romantik hinausgeht und eine Verschmelzung von Identität und Seelen verbindungen thematisiert. Das Gedicht ist in vier Strophen unterteilt, die jeweils eine andere Facette dieser Verschmelzung beleuchten. Es beginnt mit einem Bild der Geborgenheit in der Nacht und entwickelt sich zu einer umfassenden Betrachtung von Liebe, Frieden, Tod und schließlich zur Einheit der Liebenden.
In der ersten Strophe wird die Geliebte in den Schutz der Nacht gebettet, während die Zaubergeigen des Dichters die Kammer mit Musik erfüllen. Diese Musik, beschrieben als „Wunderglocken“, ruft eine tiefe, spirituelle Erfahrung hervor, die die Geliebte in die Tiefe zieht, wo Ruhe wohnt. Hier wird die Metapher des „Du“ als „die Tiefe“ etabliert, was bedeutet, dass die Geliebte ein wesentlicher Bestandteil der inneren Welt des Dichters ist. Die zweite Strophe erweitert das Gefühl der Verbundenheit auf andere: Friede und Güte, welche als Grundlagen für die Ruhe dienen. Hier wird das Verständnis der Verbundenheit mit allen Lebewesen und der Welt als Ganzes etabliert.
Die dritte Strophe handelt von der Erinnerung an die Toten und die unendliche Liebe, die in der Seele weiterlebt. Engelsgestalten, die als Symbole der Liebe und Fürsorge stehen, erscheinen und erinnern an die verlorenen Lieben. Die Kinder der Geliebten, nun im Reich der „Mutterherz“ wohnend, sind Teil von ihr, was die Allgegenwart der Liebe und die Einheit des Seins hervorhebt. Die vierte Strophe vertieft die Verschmelzung noch weiter, indem sie die Sehnsucht nach dem geliebten Menschen thematisiert, die aus der Ferne spürbar wird.
Die letzte Strophe ist der Höhepunkt des Gedichts. Sie besiegelt die Vereinigung der Liebenden. Die Musik wird zur Hochzeitsmelodie, der Sternenreigen zum Zeugen dieser Vereinigung. Die Welt, in der sich Welten wiegen, wird zum Spiegelbild der Einheit. Der abschließende Vers „Ich bin Stern, und Stern bist du“ verdeutlicht die völlige Auflösung der individuellen Identitäten in einer kosmischen Einheit. Hier wird die Liebe zur unsterblichen und allgegenwärtigen Kraft, die über Raum und Zeit hinausgeht.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.