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An einen Künstler

Von

Wie dauern mich die Armen, die da meinen,
In Lieb′ und Treue sich dir zu vereinen,
Mit dir zu schließen einen heitern Bund!
Sie ahnen nicht, in ihren Traum verloren,
Den Gott, der dich zum Werkzeug auserkoren;
Dein wahrhaft Sein, nie ward es ihnen kund.

Voll freud′gen Hoffens treten sie dir näher, –
Sie wissen nicht, daß, streng wie ein Essäer,
Dein Herz die ird′schen Bande von sich warf!
Daß, ob sich tausend Freunde um dich schaarten,
Auf deinen Himmel-, deinen Höllenfahrten
Kein Sohn des Staubes dich begleiten darf.

Es mag dein Ohr dem Schwur der Liebe lauschen
Dein Aug′ am Glanz der Schönheit sich berauschen,
Doch fügt sich nicht dem süßen Bann dein Geist!
Zurück dich führend von der Freuden Pforte,
Mahnt er gebieth′risch dich mit ernstem Worte,
Daß keines Menschen, daß du Gottes seist!

Und von dem Erdenglück, dem wonneheißen,
Giebt dir dieß Wort die Kraft, dich loszureißen.
Taub für des fremden Jammers wilden Schrei,
Nur d′rauf bedacht, den innern Hort zu retten,
Ringst du dich los und sprengst der Liebe Ketten,
Was sonst auch breche: du bist wieder frei!

Den kurzen Traum siehst lächelnd du entschweben.
Du fühlest dich dir selbst zurückgegeben,
Was gilt daneben dir der arme Rest?
Des Zieles eingedenk, des ewig′ hehren,
Was kümmert dich die Spur von Blut und Zähren,
Die hinter sich dein Siegeswagen läßt?

Als schuldig dich darum verdammen wollen,
Es hieße thöricht dem Kometen grollen,
Daß regellos die Bahn, die er beschreibt!
Dem Löwen grollen, daß er nicht Gazelle,
Dem Ocean, daß salzig seine Welle,
Dem Lorbeerbaum, daß er nicht Früchte treibt! –

Ob dich die Menschen kalt und herzlos nennen,
Viel tief′re Liebe als sie ahnen können,
Aus deinem Schaffen flammt sie himmelwärts.
Du fühltest ihren Stral in dir erzittern,
Und, statt an Irdisches es zu zersplittern,
Gabst du dem Ideal dein ganzes Herz. –

O bleibe du dem Pfad der Manschen ferne,
Unnahbar ihrem Wunsche, der die Sterne
Vom Himmelsdom herabzulangen meint!
Nicht andre Freunde hat dir Gott beschieden,
Als die in der Erkenntniß sel′gem Frieden
Ein Glaube und ein Dienst mit dir vereint!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: An einen Künstler von Betty Paoli

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An einen Künstler“ von Betty Paoli ist eine tiefgründige Auseinandersetzung mit dem Wesen und der Lebensweise eines Künstlers, der sich in besonderer Weise dem Ideal verschrieben hat. Es zeichnet das Bild eines Menschen, der sich von irdischen Bindungen losgesagt hat, um sich ganz seinem Schaffen zu widmen.

Das Gedicht beginnt mit einem Mitleidsausdruck für diejenigen, die sich in Liebe und Treue an den Künstler binden wollen. Sie ahnen nicht, dass der Künstler einem höheren Ziel verpflichtet ist, einem „Gott“, der ihn auserwählt hat. Dieser „Gott“ ist hier nicht unbedingt als religiöse Instanz zu verstehen, sondern als die treibende Kraft des Schaffens, das Ideal, dem der Künstler sein ganzes Leben unterordnet. Die folgenden Strophen schildern die Unfähigkeit des Künstlers, sich auf irdische Freuden einzulassen. Obwohl er dem „Schwur der Liebe lauschen“ und sich vom „Glanz der Schönheit berauschen“ mag, kann er sich dem „süßen Bann“ nicht hingeben, da sein Geist ihn stets an sein höheres Ziel erinnert.

In der Mitte des Gedichts wird die Härte dieser Entscheidung betont. Der Künstler ist „taub für des fremden Jammers wilden Schrei“, er „ringst dich los und sprengst der Liebe Ketten“. Dies deutet auf eine gewisse Einsamkeit hin, ein Loslösen von menschlichen Bedürfnissen und Bindungen. Das Gedicht relativiert diese Opferbereitschaft jedoch, indem es den Künstler als frei feiert, der seinen „Siegeswagen“ durch die Welt zieht, ohne sich um die „Spur von Blut und Zähren“ zu kümmern, die er hinterlässt.

Die späteren Strophen rechtfertigen diese Lebensweise. Der Künstler wird mit Naturphänomenen verglichen – einem Kometen, einem Löwen, dem Ozean – und es wird betont, dass es unsinnig wäre, ihn für sein Verhalten zu verurteilen. Der Künstler ist, wie diese Naturphänomene, seinem eigenen Wesen verpflichtet. Abschließend wird das Gedicht zu einer Hymne auf die tiefe Liebe, die aus dem Schaffen des Künstlers aufsteigt. Diese Liebe, so wird betont, ist intensiver als alles, was die Menschen verstehen können, da sie sich nicht auf Irdisches beschränkt, sondern dem „Ideal“ gewidmet ist. Der Künstler wird als jemand dargestellt, der sich von den Wünschen der Menschen entfernt, um in „Erkenntniß sel’gem Frieden“ mit Gott (oder dem Ideal) verbunden zu sein.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.