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St. Helena

Von

Es geht durch alle Länder
Die Kunde auf und ab,
Sie wollen den Kaiser holen
Aus seinem Heldengrab.

Sie wollen ihn begraben
Dort an der Seine Strand,
Inmitten der Franzosen,
Die seinen Stamm verbannt.

Die Kunde dringet endlich
Bis nach St. Helena –
Der große Kaiser hört sie
In seinem Grabe da.

Er schlägt die glühn′den Augen
Noch einmal wieder auf,
Er steigt in nächt′ger Stunde
Aus seiner Gruft herauf.

Auf öder Felsenhöhe
Verweilt der mächt′ge Held,
Und überschaut im Geiste
Noch einmal seine Welt.

»Ich habe die Krone getragen.
Die goldene Kaiserkron′,
Ich blickte auf Millionen
Hinab vom höchsten Thron.

Von Königen war gebildet
Der Hof, der mich umgab,
Ich hab′ über zahllose Heere
Geschwungen den Feldherrnstab.

Sie hatten es geschworen
Im hellen Sonnenlicht,
Die Garde kann wohl sterben,
Doch sie ergiebt sich nicht.

Sie haben mich verlassen
In meiner höchsten Noth,
Sie sind ihn nicht gestorben
Den schönen Schlachtentod.

Nun wollen sie mich führen
Inmitten ihrer Welt,
Sie, die mich ausgestoßen,
Die mir kein Band mehr hält.

In dumpfen Mausoleen
Da weht nicht meine Luft,
Was denkt ihr mich zu schließen
In enger Mauern Gruft?

Des großen Weltmeers Wogen
Umfluthen jetzt mein Grab,
Sie brausen mir und rauschen
Mein Schlummerlied hinab.

Ich ruh′, ein müder Krieger,
Nun unterm Sternenzelt,
Allein, wie ich gestanden,
Als mir zu klein die Welt.

Mein Geist umschweift die Stätten,
Wo ich die Schlachten schlug,
Hier weilt er auf dem Felsen,
Wo ich das Schwerste trug.

Die Asche mögt ihr hüten,
Der Geist ist euch nicht nah,
Und wer mich nennt, gedenken
Wird er St. Helena.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: St. Helena von Auguste Kurs

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „St. Helena“ von Auguste Kurs ist eine poetische Auseinandersetzung mit dem Schicksal Napoleons nach seinem Tod und der geplanten Überführung seiner sterblichen Überreste nach Frankreich. Es fängt die Perspektive des toten Kaisers ein, der aus seinem Grab auf der Insel St. Helena aufsteigt und die Kunde von der bevorstehenden Rückholung in seine Heimat vernimmt. Das Gedicht ist von einer tiefen Melancholie und dem Stolz eines großen Feldherrn geprägt, der trotz seines Sturzes seine Vergangenheit und seinen Ruhm nicht vergessen hat.

Der zentrale Konflikt des Gedichts liegt in der Spannung zwischen dem Wunsch nach Heimkehr und der gleichzeitigen Ablehnung der Welt, die ihn einst verbannt und verlassen hat. Napoleon reflektiert über seine glorreiche Vergangenheit, seine Macht, seine Siege und die Loyalität seiner Garde. Er erinnert sich an die Krone, die Millionen von Menschen, die ihn bewunderten, und die Könige, die seinen Hof bildeten. Gleichzeitig wirft er einen kritischen Blick auf die, die ihn im Stich ließen, die ihn ausstießen und ihm nicht im Tod in die Schlacht folgten. Diese Ambivalenz, das Wissen um den Glanz vergangener Tage und die bittere Erfahrung des Verrats, prägt die gesamte Aussage des Gedichts.

Die Naturbilder, insbesondere die Beschreibung der stürmischen See, die Napoleons Grab umspült, spielen eine wichtige Rolle in der Darstellung seiner Gefühle. Das Meer wird zum Symbol für Freiheit und Ungebundenheit, im Gegensatz zu den „dumpfen Mausoleen“ und der „enger Mauern Gruft“, in die er nicht eingeschlossen werden will. Die Metapher vom „müden Krieger“ unter dem „Sternenzelt“ verstärkt den Eindruck von Erschöpfung und der Sehnsucht nach ewiger Ruhe. Der Kontrast zwischen dem immensen Einfluss, den Napoleon einst ausübte, und der Enge seines Grabes unterstreicht die Tragik seines Schicksals.

Das Gedicht endet mit einer deutlichen Botschaft an die Lebenden: Während seine sterblichen Überreste zurück nach Frankreich gebracht werden mögen, ist sein Geist untrennbar mit St. Helena verbunden, dem Ort seines Exils und seines Todes. Die Zeilen „Die Asche mögt ihr hüten, / Der Geist ist euch nicht nah, / Und wer mich nennt, gedenken / Wird er St. Helena“ sind eine klare Absage an die Vorstellung einer vollständigen Rückkehr und eine ewige Verankerung in der Erinnerung an den Ort, der ihn als Kaiser auszeichnete und ihn zum Mythos machte. Das Gedicht ist somit nicht nur eine Reflexion über das Schicksal Napoleons, sondern auch ein Kommentar über die Vergänglichkeit irdischer Macht und die Unsterblichkeit des Geistes.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.