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Der Hexenritt

Von

In der Sommernacht
Der Knecht erwacht,
Da sieht er die Mägde geschäftig gehn
Und mit Marei am Herde stehn.
Mit Salbe beklexen
Sich Besen die Hexen,
Dann geht es im Saus
Zum Schornstein hinaus.
Zieht eine fort,
So ist ihr Wort:
Flieg auf, flieg aus, flieg um, nicht an!
Mir nach, mir nach, wers auch so kann!
Dann reitet die Hexe
Auf Besen-Gezäckse
Zum süßen Konnexe,
Zum Gänsegeschleckse:
Hih hoh, heh heeh!
Hahhih, hehheeh!
Durch die Lüfte geschwind
Wie der sausende Wind.
Jetzt meint der Knecht,
Das war mir recht!
Nimmt einen Stock und sucht im Rauch
Die Hexensalbe, und salbt ihn auch.
O welch Vergnügen
Ihr nach zu fliegen!
Die fang ich im Tanz
Um den Kessel der Gans!
Im Zorn will er fort
Und spricht das Wort;
Allein anstatt »flieg um, nicht an«
Sagt »um und an« der arme Mann.
Nun bleibt er nicht stecken,
Doch fliegt er zum Schrecken
(Er kann sich nicht decken)
An Mauern und Ecken,
Piff paff, ho heh!
Rumm bumm, weh weh!
Mit dem Kopf an den Baum:
Ihm wird wie im Traum! –

Fort und fort,
Von Ort zu Ort:
Im Sturm an den Turm, pirr! – klirr! an die Fahn,
Er reißt in die Lüfte den Wetterhahn, –
Schwirr! pirr! an die Mühle,
Ins Flügelgewühle! –
Blautz! prallt er ab;
Der Kopf fliegt ab;
Doch er noch fest
Zum Geiernest –
Fliegt an – da rupft und zupft ihn vorn,
Rechts, links und hinten Klau und Dorn.
So wird er verschlissen,
Zu Faden zerrissen,
Heruntergeschmissen:
Es bleibt nicht ein Bissen! –
Über Stock und Block
Hin fliegt sein Stock
Ganz selig allein
Zum Hexenverein.

Dort fliegt er an,
An Weib und Mann,
Man flieht und flüchtet vor ihm her,
Stürzt, stolpert hin, die Kreuz und Quer.
Man kann sich nicht decken,
Es tanzet der Stecken,
Fliegt an und um
Im Kreis herum.
Das Zauberwort
Wirkt fort und fort,
Wupp wupp, wupp wupp, tipp tapp, tipp tapp!
Klitsch klatsch, klitsch klatsch, klipp klapp, klipp klapp!
Auch ist so erpicht er
Auf Hexengesichter
Und nimmer zerbricht er,
Bis fort das Gelichter,
Ha hih, hoh heh!
Hih hoh, heh heh!
Bis alles zerstäubt,
Und nichts mehr bleibt.

Wie Schaum und Faum
Zerrinnt der Traum.
Von neuem erwacht der gute Knecht
Und reibt die Augen und wacht erst recht:
Da scheint die Sonne,
O Freud, o Wonne!
Weg ist der Tanz,
Er fühlt sich ganz!
Und welch ein Spaß,
Er liegt im Gras:
Marei hat Essen ihm gebracht,
Klopft in die Hand und steht und lacht:
»Was muß ich ersehen?
Statt fleißig zu mähen,
Im Schlafe sich drehen,
In der Sonne sich bähen!«
Ha, hi, ho, hei,
Komm Hexe Marei!
Den Traum er vergißt
Und küßt und ißt.

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Gedicht: Der Hexenritt von August Kopisch

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Hexenritt“ von August Kopisch ist eine lebhafte und humorvolle Erzählung, die in der Form einer Ballade gehalten ist und die fantastische Welt der Hexen mit der irdischen Realität verbindet. Das Gedicht beginnt mit einem Knecht, der in einer Sommernacht Hexen bei ihren nächtlichen Ritualen beobachtet und beschließt, ihre Magie nachzuahmen.

Die Geschichte entfaltet sich mit rasantem Tempo, als der Knecht versucht, mit einem Stock auf einer Salbe in die Luft zu steigen. Allerdings verwechselt er das Zauberwort und erlebt eine chaotische Flugreise, die ihn durch die Nacht wirbelt. Er prallt gegen Bäume, Türme und Mühlen, bis er schließlich zerfetzt wird und als Überrest in einem Geiernest landet. Der Stock hingegen setzt den Hexentanz fort und versetzt die Hexen selbst in Panik.

Die verwendete Sprache ist bildhaft und voller onomatopoetischer Elemente wie „Piff paff, ho heh!“ und „Rumm bumm, weh weh!“, die die Hektik und den Lärm des Hexenritts verstärken. Der Kontrast zwischen der vermeintlichen Macht des Knechts und seinem letztendlichen Scheitern wird durch die ironische Darstellung der Ereignisse betont. Die Darstellung des Hexenrituals und die daraus resultierende Katastrophe sind zugleich amüsant und warnend.

Die abschließende Auflösung des Traums, in dem der Knecht erwacht und feststellt, dass alles nur ein Traum war, rundet das Gedicht ab. Der Knecht wird von Marei, einer Magd, gefunden, die ihn verspottet, was die ganze Geschichte ins Komische wendet. Der Traum von der magischen Erfahrung wird durch die banale Realität des Alltags ersetzt. Das Gedicht hinterlässt den Eindruck, dass die vermeintliche Macht und die Versuchung des Übernatürlichen letztendlich nur Illusionen sind, die im Angesicht der Realität zerfallen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.