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An Elise

Von

Du weißt es lange wohl, wie wert du mir,
Was sollt′ ich es nicht froh und offen tragen,
Ein Lieben, das so frischer Ranken Zier
Um meinen kranken Lebensbaum geschlagen?
Und manchen Abend hab′ ich nachgedacht,
In leiser Stunde träumerischem Sinnen,
Wie deinen Morgen, meine nah′nde Nacht
Das Schicksal ließ aus Einer Urne rinnen.

Zu alt zur Zwillingsschwester möchte ich
Mein Töchterchen dich nennen, meinen Sprossen,
Mir ist, als ob mein fliehend Leben sich,
Mein rinnend Blut in deine Brust ergossen.
Wo flammt im Herzen mir ein Opferherd,
Daß nicht der deine loderte daneben,
Von gleichen Landes lieber Luft genährt,
Von gleicher Freunde frommen Kreis umgeben?

Und heut, am Sankt Elisabethentag,
Vereinend uns mit gleichen Namens Banden,
Schlug ich bedächtig im Kalender nach,
Welch′ Heilige am Taufborn uns gestanden;
Da fand ich eine königliche Frau,
Die ihre milde Segenshand gebreitet,
Und eine Patriarchin, ernst und grau,
Nur wert um den, des Wege sie bereitet.

Fast war es mir, als ob dies Doppelbild
Mit strengem Mahnen strebe uns zu trennen,
Als wollt′ es dir die Fürstin zart und mild,
Mir nur die ernste Hüterin vergönnen;
Doch — lächle nicht — ich hab′ mich abgekehrt,
Bin fast verschämt zur Seite dir getreten;
Nun wähle, Lieb, und die du dir beschert,
Zu der will ich, als meiner Heil′gen beten.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: An Elise von Annette von Droste-Hülshoff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An Elise“ von Annette von Droste-Hülshoff offenbart die tiefe Zuneigung und Verbundenheit der Dichterin zu einer Person namens Elise. Es handelt sich um eine Liebeserklärung, die jedoch von Melancholie und der Auseinandersetzung mit dem Alter und dem eigenen Leben geprägt ist. Die Dichterin betrachtet die Beziehung aus verschiedenen Blickwinkeln und verbindet sie mit religiösen und historischen Bezügen.

Im ersten Teil des Gedichts wird die Wertschätzung Elises ausgedrückt. Droste-Hülshoff beschreibt die Beziehung als etwas Wertvolles, das ihr Leben verschönert und unterstützt. Sie vergleicht diese Zuneigung mit einem lebendigen „Ranken Zier“, die sich um ihren „kranken Lebensbaum“ schlingen. Dies deutet auf eine gewisse Erschöpfung oder Altersweisheit der Dichterin hin, während die junge Elise als Quelle der Frische und des Lebens dargestellt wird. Der Vergleich von Elises Morgen mit Droste-Hülshoffs „nahender Nacht“ thematisiert das Ungleichgewicht der Lebensphasen und die Vergänglichkeit.

Der zweite Teil vertieft die innige Verbindung zwischen den beiden Frauen. Droste-Hülshoff drückt den Wunsch aus, Elise wie eine Tochter zu behandeln, da sie sich fühlt, als ob ihr eigenes Leben in Elise übergegangen wäre. Die Metapher vom „rinnenden Blut“ unterstreicht diese tiefe emotionale Verbundenheit. Die Dichterin stellt eine Frage, die die gemeinsame Grundlage ihrer Beziehung hervorhebt: Sie wünscht sich, dass Elises „Herzen“ von denselben Einflüssen geprägt wird, wie die eigenen. Dies bezieht sich auf die gemeinsame Herkunft, die gleichen Freunde und die gleichen Werte.

Der dritte Teil des Gedichts greift den Anlass des St. Elisabethentages auf, der die beiden Frauen durch den gleichen Namen verbindet. Die Dichterin sucht nach Heiligen, die als Namenspatroninnen in Frage kommen, und findet zwei Frauen, die unterschiedliche Aspekte verkörpern: eine milde, königliche Fürstin und eine ernste Patriarchin. Der vierte Teil des Gedichts, der von einem fast beängstigenden Moment des Zweifels geprägt ist, wird durch die Wahl der Heiligenfiguren hervorgerufen. Droste-Hülshoff befürchtet, dass diese Doppelgestalt sie trennen könnte, indem Elise der milden Fürstin und ihr selbst der ernsten Hüterin zugeordnet wird. Letztendlich entscheidet sich die Dichterin jedoch für Elise und bekundet ihre Bereitschaft, die Heilige zu wählen, die Elise sich erwählt hat. Das Gedicht endet mit der Hingabe an die Liebe und die Verehrung der Freundin als Heilige.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.